Einer trage des anderen Schuld
Mögliche.« Loftus tippte sich an einen Nasenflügel, als wollte er damit auf seinen besonders ausgeprägten Geruchssinn hinweisen.
»Das glaube ich Ihnen gern, Sir, aber woher haben Sie es?«, fuhr Winchester mit der Andeutung eines Lächelns fort. »Wie weit sind Sie zum Beispiel selbst in dem Gewerbe engagiert?«
Loftus setzte zu einer Antwort an, bemerkte dann aber Winchesters Blick und überlegte es sich offenbar anders. »Na ja, ich sehe … so manches.«
»Sie sehen so manches«, wiederholte Winchester skeptisch. »Was genau, Mr Loftus? Ein stetes Kommen und Gehen gut gekleideter Männer an Bord eines am Fluss vertäuten Boots, meinen Sie das?«
»So isses. Spät in der Nacht, und glauben Sie mir: Sie sind nich’ dort, um zu angeln.«
Wieder breitete sich ein Kichern auf der Galerie aus. Ein Geschworener hob die Hand ans Gesicht, um sein Grinsen zu verbergen.
»Spät in der Nacht?«, fragte Winchester sanft. »Also bei Dunkelheit?«
»Klar«, feixte Loftus. »Sie glauben doch nich’, die sind unterwegs, wenn die Leute sie erkennen können, oder? Sie haben mir nich’ zugehört, Sir.« Das »Sir« sprach er übertrieben betont aus. »Für einen guten Zweck sind sie bestimmt nich’ dort.«
»Es ist also zu dunkel, um erkannt zu werden. Und dennoch wissen Sie, um wen es sich handelte?« Winchester erwiderte sein Lächeln und hob fragend die Augenbrauen.
Loftus wusste, wann er in einer Falle saß. »Na gut!«, knurrte er wütend. »Hin und wieder hab ich geholfen. Aber nur draußen! Den Jungs dort hab ich nie was angetan.«
»Sie haben draußen geholfen«, imitierte ihn Winchester. »Wegen der Güte Ihres Herzens? Oder wurden Sie vielleicht mit Sachleistungen bezahlt? Ein paar Bilder, vielleicht, die Sie an andere weiterverkaufen konnten? Nachdem Sie sie selbst ausgiebig betrachtet hatten? Vielleicht, um sie an die darauf dargestellten erbärmlichen Kerle zurückzuverkaufen, die von der Kamera bei Handlungen ertappt worden waren, die sie ruinieren würden, wenn ihre Freunde davon erführen? Ist das der Grund, warum Sie sich so sicher waren, dass Rupert Cardew darin verwickelt war?«
Rathbone erhob sich. »Mylord, könnten wir es bei nicht mehr als zwei Fragen zugleich belassen? Ich werde Schwierigkeiten damit haben, auseinanderzusortieren, welche Antwort sich auf welche Frage bezieht.«
Im Saal gab es gedämpftes, nervöses Gelächter.
»Verzeihung«, entschuldigte sich Winchester. »Meine Verwirrung muss ansteckend sein.« Er wandte sich wieder an Loftus. »Ihre Belohnung für diese Hilfe, Sir. Welche Form nahm sie an?«
»Geld!«, stieß Loftus empört hervor. »Reines Geld. Wie Ihr eigenes, Sir.«
»Mein Geld haben Sie bestimmt nicht, Mr Loftus«, entgegnete Winchester lächelnd. »Aber da Sie wissen, dass Mr Cardew dort war, kennen Sie doch sicher auch die Namen anderer Männer. Wer alles nahm noch an diesen … Feiern teil?«
Loftus fuhr sich mit einem Finger über den Mund. »Schweigegelübde, Sir. Verstehen Sie? Alle möglichen Arten von Herren wollen Aufregung von der etwas würzigeren Sorte haben. Da ruiniere ich ja halb London, wenn ich plaudere.«
»Ganz zu schweigen von Ihrem eigenen zukünftigen Einkommen und dem des Herrn hinter dem ganzen Geschäft, der nun, da Mr Parfitt tot ist, einen neuen Geschäftsführer finden muss. Könnten Sie das sein, Mr Loftus?«
Plötzlich herrschte absolute Stille im Gerichtssaal. Das unvermeidliche leise Rascheln der Kleider war erstorben, man konnte die Leute beinahe atmen hören.
Rathbone erhob sich. »Mylord, Mr Winchester setzt Dinge als Fakten voraus, die niemand bewiesen hat. Er macht ständig Andeutungen bezüglich einer grauen Eminenz hinter Parfitt, aber bisher hat niemand einen Beleg für deren Existenz vorgelegt, geschweige denn Mr Loftus eine Zahlung für irgendetwas geleistet.«
»Mylord, jemand hat Mickey Parfitt einen Brief mit Anweisungen geschickt, um sicherzustellen, dass er in der Nacht seiner Ermordung allein auf dem Boot war«, hob Winchester hervor. »Jemand stellte das Geld für den Kauf und die Ausstattung des Boots zur Verfügung. Jemand sprach die Männer an, beobachtete und verführte diejenigen, die für diese Art von Zügellosigkeit empfänglich sind. Jemand erpresste sie und trieb mindestens einen in den Selbstmord und dem Anschein nach einen zum Mord. Und da Mr Loftus geschworen hat, dass Rupert Cardew ein Opfer dieses Gewerbes war und andere Zeugen uns drastisch seinen Niedergang vom leichtgläubigen Freund zum
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