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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ausweisen. Und die würden Sie bestimmt nicht zerstören, weil Sie es sonst nicht selbst behalten könnten!«
    Auf Toshs Gesicht erschien ein hässlicher dunkler Fleck, doch er machte keine Anstalten, irgendetwas abzustreiten. »Ich hab bloß ein paar persönliche Dinge verbrannt. Das wird man ja wohl dürfen. Haben Sie denn gar keinen Respekt vor den Toten? Mickey is’ das Opfer eines Mordes! Is’ es da nich’ Ihre Aufgabe, sich für ihn einzusetzen?« Er blickte zu Monk auf, die Unschuld in Person.
    Monk erwiderte den Blick, die Augen nicht minder ausdruckslos. Insgeheim fragte er sich, wo die Erpresserfotografien sein mochten. Sie mussten sorgfältig versteckt an einem anderen Ort liegen. Vielleicht wusste das nicht einmal Tosh. Monk lächelte. »Sie haben die Fotos gesucht, nicht wahr?«
    Er blickte sich verstohlen in dem kleinen Raum um. Vor jeder Wand ragten Aktenschränke und Vitrinen mit Schubladen auf, ganz so, als handelte es sich um ein Büro für Geschäfte mit aufwändigem Schriftverkehr. Monk nahm an, dass die Fotos sicher verwahrt waren. Bei Jericho Phillips war es jedenfalls so gewesen. Also lagerte hier wohl nur ein Verzeichnis über Schulden und Zahlungen, Daten, Namen und Beträge. Bei der Erinnerung an Phillips’ Fotografien drehte sich Monk immer noch vor Wut und Abscheu der Magen um. Regelrecht schlecht wurde ihm!
    Tosh starrte ihn unverwandt an, studierte seine Mimik. Er musste in Betracht gezogen haben, ihn anzulügen, und hatte sich dann dagegen entschieden. »Wollte bloß wissen, wer ihm noch was schuldet. Und natürlich auch, bei wem er in der Kreide stand. Muss ja die Rechnungen bezahlen.« Er bedachte Monk mit einem verkniffenen, hässlichen Grinsen.
    »Selbstverständlich. Ich könnte mir vorstellen, dass seine Partner an ihrem Anteil an den Einnahmen interessiert sind – den gegenwärtigen und den zukünftigen. Werden Sie die Geschäfte weiterführen, Tosh?«
    Jetzt saß Tosh in der Falle. »Woher soll ich das wissen?«, antwortete er verdrießlich. »Ich hab ja bloß für ihn gearbeitet. Nix von all dem hier gehört mir.«
    »Nein, natürlich nicht«, stimmte ihm Monk zu und bemerkte, wie sich Toshs Züge vor Wut verhärteten. Dieser Mann wäre nur zu gern der Eigentümer gewesen. Dann hätte er einfach darauf warten können, dass der stumme Teilhaber aufkreuzte, um den Löwenanteil einzustreichen – wer immer es auch war. Denn irgendjemand musste Mickey Parfitt finanziert haben, so wie auch jemand hinter Jericho Phillips gestanden hatte.
    Sullivan hatte erklärt, der Drahtzieher hinter Phillips sei Ballinger gewesen. War das die Wahrheit oder nur die Lüge eines Verzweifelten, der sich im letzten Moment rächen wollte? Wozu, falls Ballinger nicht beteiligt war? Weil Ballinger seine Schwäche gesehen und auf gewisse Weise genutzt hatte?
    Konnte Ballinger hinter beiden Verbrechern stecken? Oder hegte Monk diese Vorstellung nur, weil er unbedingt derjenige sein wollte, der diesem widerwärtigen Gewerbe ein Ende setzte – oder wenigstens dem Teil davon, der auf dem Fluss stattfand, wo er für Recht und Ordnung zu sorgen hatte? War ihm womöglich umso dringlicher daran gelegen, weil er Scuff eine Illusion von Sicherheit vermitteln wollte, damit endlich die Alpträume aufhörten und er ihn in dem Glauben wiegen konnte, es gäbe tatsächlich jemanden, der ihn vor den schlimmsten Gräueln im Leben beschützte?
    Und brauchte Monk am Ende um seiner selbst willen das Gefühl, derjenige zu sein, der Scuff rettete? Wenn das so war, handelte er aus Schwäche, und die Verfolgung Ballingers war noch schlimmer als ungerecht; in diesem Fall war sie bösartig, irrational und einer Obsession gleichzusetzen, etwas, das er bei anderen zutiefst verachtete.
    »Erzählen Sie mir von der Nacht, in der Mickey ermordet wurde«, sagte Monk abrupt.
    Diese Bitte verwirrte Tosh, aber nach der ersten Überraschung kehrte sein Selbstbewusstsein wieder zurück. Fast konnte der Eindruck entstehen, Monk hätte den gefährlichen Bereich verlassen.
    »Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt …« Er wiederholte den detaillierten Bericht über seine Unternehmungen wortwörtlich so, wie er ihn schon einmal abgegeben hatte. Er leierte ihn fast herunter. Demnach hatte alles so weit vom Fluss entfernt stattgefunden, dass er zum Zeitpunkt von Mickeys Ermordung unmöglich auf dem Boot hätte sein können. Natürlich würde Monk die Angaben überprüfen, aber angesichts von Toshs Miene war er sich sicher, dass er für alles

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