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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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auf Sullivans bloßes Wort, diese unbewiesene Behauptung hin die Jagd nach dem eigentlichen Schuldigen fortgesetzt, nach demjenigen, der die Bereitschaft seiner Opfer für die Risiken der Kinderpornografie ausnutzte? Vielleicht machte ja die Gefahr der Entdeckung einen Teil der Erregung aus, denn es ging nicht nur um den Missbrauch von Kindern – auch Homosexualität war strafbar. Bisher hatten sie nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass dieselbe Hand, die solche Männer in Versuchung führte und dann ihre Begierde stillte, ihnen letztlich die Wunden zufügte, an denen sie verbluten mussten. Dafür hatte Monk sogar noch einen Funken Mitleid übrig.
    Doch was er nicht verzeihen konnte, war die Tatsache, dass auch sie keinen Gedanken an die unglücklichen Kinder verschwendeten, die für die Unterhaltung dieser Leute mit Erniedrigung, Schmerzen und manchmal mit dem Leben bezahlen mussten.
    Ja, jetzt wusste er, dass er im Namen seiner eigenen wertvollen Sicherheit kein Interesse daran haben konnte, den Unbekannten, der Mickey Parfitt ermordet hatte, zu stellen. Das Gesetz würde die Tat niemals als Notwehr werten, denn sie war allem Anschein nach nicht in der Hitze eines Kampfes begangen worden. Das bewies allein schon der Abdruck des verknoteten Seils an Parfitts Kehle. Doch aus dem Blickwinkel der Moral gab es nun einen Räuber weniger, der die Schwachen und Wehrlosen zerstörte.
    »William?«, sagte Hester.
    Er blickte auf. »Ja, wie ich das sehe, könnte Parfitts Tod Ballinger durchaus aufgeschreckt haben. Früher oder später hätte ich mich dem Kerl auf die Spur geheftet, wer immer es ist, der hinter Phillips stand. Aber wäre Parfitt nicht ermordet worden, wäre das wohl eher später geschehen.«
    Der Anflug eines Lächelns huschte über ihre Lippen. »Wie viel später? Eine Woche? Einen Monat?«
    Er deutete ein Schulterzucken an. »Nun ja, vielleicht zwei Wochen.«
    Sie wurde wieder ernst. »Glaubst du, dass Parfitt das wusste, irgendwann geldgierig wurde und selbst Druck ausübte, um zu profitieren?«
    Erneut überlegte Monk. Möglich war das in der Tat. Wenn Parfitt der Opportunist war, für den er ihn hielt, konnte er sehr wohl die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und versucht haben, sich einen größeren Anteil an dem Geschäft zu sichern. Diesen Verdacht konnte Monk unmöglich außer Acht lassen, egal, wohin er ihn führen mochte.
    Als hätte sie seine Gedanken gelesen, stellte Hester die Frage, der er lieber aus dem Weg gegangen wäre. »Könnte Sullivan die Wahrheit gesagt haben, und es war tatsächlich Ballinger, William?«
    »Ich weiß es nicht«, gab er zu und stellte sich ihrem Blick. »Ich gäbe viel darum, wenn es nicht so wäre, allein schon um Margarets und noch viel mehr um Rathbones willen.«
    »Und Scuff?«
    Er runzelte die Stirn. »Ist es besser, das alles auf sich beruhen zu lassen, in der Hoffnung, dass er es vergisst? Oder sollen wir es ans Licht holen und falls möglich ausmerzen? Letzteres würde bedeuten, es wie eine große frische Wunde bloßzulegen, damit er sie aufs Neue ansehen und spüren kann.«
    »Und all die anderen Jungen?« Ihr Ton war gemessen, doch drückte er auch ihr Einfühlungsvermögen und ihr Wissen um Schmerz aus.
    »Wir können die Welt nicht heilen«, entgegnete Monk. »Es wird immer Menschen geben, für die wir nichts tun können. Und das, was wir tun können, ist im Vergleich zu dem, wogegen wir machtlos sind, so wenig, dass man es fast nicht erkennen kann.«
    »Es geht nicht darum, wie viel man unternimmt, sondern darum, ob man überhaupt etwas unternimmt oder nicht. Was ist besser für Scuff?«
    »Ist es das, worauf es ankommt – was das Richtige für Scuff ist?«, fragte Monk zurück.
    »Ja.« Sie atmete tief durch und wandte die Augen ab. »Nein! Natürlich ist das nicht alles. Aber es ist der Punkt, an dem ich ansetze. Du hast meine Frage nicht beantwortet: Was ist besser für Scuff?«
    »Ich weiß, dass er immer noch Alpträume hat. Ich höre dich in der Nacht aufstehen. Ich weiß, dass er höchstens neun oder zehn Jahre alt ist, auch wenn er seit bald einem Jahr behauptet, er sei elf. In mancherlei Hinsicht ist er allerdings viel älter. Märchen nützen bei ihm nichts. Er wird nur das glauben, was der Wahrheit zumindest sehr nahe kommt.« Monk senkte die Stimme. »Er hat keine besonders hohe Meinung von meinem Wissen oder meinem gesunden Menschenverstand. Und er hält sich viel darauf zugute, dass er auf mich aufpasst. Aber wenigstens vertraut

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