Einer trage des anderen Schuld
an Beweise rankommen sollen.«
»Stimmt«, bestätigte Monk. »Mir fällt auch nichts ein.«
Als Monk zu guter Letzt sein Wohnviertel erreichte, war es längst dunkel. Die Lichter der Stadt wurden von einem wolkenverhangenen Himmel reflektiert, sodass der schwarze Fluss aussah wie ein Tunnel, der mitten durch das Funkeln und Schimmern und den verschwommenen Lichterglanz führte.
Vom Landungssteg der Fähre bei den Prince’s Stairs lief er den Hügel hinauf, bog rechts in die Union Road ab und dann links in die Paradise Place. Er konnte den Wind durch das Laub der Bäume im Southwark Park rauschen und irgendwo in der Ferne einen Hund bellen hören.
Vor der Haustür angekommen, verzichtete er aufs Klopfen und sperrte sich auf. Allzu oft traf er zu einer Zeit ein, da Hester eigentlich schlafen müsste, auch wenn sie fast immer auf ihn wartete. Diesmal saß sie in dem großen Sessel im Wohnzimmer. Die Gaslampe brannte noch. Das Nähzeug war ihr aus den Händen geglitten und lag auf einem Haufen am Boden. Sie schlief tief und fest.
Lächelnd trat er auf sie zu. Wie konnte er es vermeiden, sie aufzuschrecken? Nach kurzem Überlegen ging er zur Haustür zurück und ließ den Riegel mit einem lauten Scheppern einrasten.
Sie fuhr hoch und setzte sich auf. Dann erkannte sie ihn und lächelte.
»Das tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich muss eingedöst sein.« Noch blinzelte sie verschlafen, versuchte aber bereits, durch die letzten Schleier ihrer Träume hindurch sein Gesicht zu studieren.
»Ich mache uns eine Tasse Tee«, sagte er liebevoll. Das hier war sein Zuhause, sein gemütliches, vertrautes Heim, wo er glücklicher gewesen war, als er das je für möglich gehalten hatte. Hier war er freier als irgendwo sonst auf der Welt – und zugleich auch angebundener, denn alles hier bedeutete ihm so viel, dass der Gedanke an einen Verlust all dessen ihm fast den Boden unter den Füßen wegzog. Es wäre leichter gewesen, weniger zu lieben und stattdessen zu glauben, es gäbe notfalls noch etwas anderes, das sein Herz nährte. Aber das stimmte nicht, und das wusste er auch. Sich etwas anderes einzureden wäre Selbstbetrug.
»Wie geht’s Scuff?«, fragte er über die Schulter.
»Gut«, antwortete Hester, während sie sich nach dem Nähzeug bückte, um es wegzuräumen. »Ich habe ihm nichts davon gesagt, dass du ein weiteres Pornografie-Boot entdeckt hast. Wenn er es erfahren muss, kläre ich ihn später darüber auf.« Sie stellte sich hinter ihn. »Hast du Hunger?«
»Ja.« Plötzlich merkte er, dass sein Magen tatsächlich leer war. »Brot wird reichen«, meinte er.
»Kalte Wildpastete.«
»Ah! Ja!«
Erst als er sich zu kalter Pastete, Gemüse und einer Tasse Tee an den Tisch setzte, dämmerte ihm, dass Hester offenbar vorhatte, ihm alles, was er bisher in Erfahrung gebracht hatte, zu entlocken.
»Nicht so viel, wie die Pastete wert ist«, brummte er.
»Was meinst du damit?« Sie spielte die Ahnungslose, doch als sie ihm in die Augen schaute, erkannte sie, dass ihre Bemühungen nichts gefruchtet hatten. Mit einem kurzen Auflachen über sich selbst gab sie sich geschlagen. »Ist es wieder einer wie Phillips?«, fragte sie sanft.
»Ja, so leid es mir tut.«
Beim Essen berichtete er ihr, was die Ermittlungen bisher ergeben hatten. Dabei sprach er mit so leiser Stimme, dass er, falls Scuff herunterkam, jedes Knarzen auf den Treppenstufen hören und dann sofort verstummen konnte.
Hester lauschte mit ernster Miene. »Könnte es Arthur Ballinger sein?«, fragte sie, als Monk geendet hatte. Sie wusste von Sullivans Anschuldigungen.
»Ja«, antwortete er. »Des Mordes verdächtige ich ihn natürlich nicht, aber er könnte derjenige sein, der als Geldgeber hinter den Machenschaften steckt und einen Anteil an den Gewinnen einstreicht.«
»Könntest du das beweisen?«
»Vielleicht. Gleich morgen werde ich Orme auf die Buchhaltung ansetzen und zusehen, dass ich die Eigentumsrechte auf das Boot bis zu einer bestimmten Person zurückverfolge. Andererseits würde es mich sehr wundern, wenn das so einfach wäre.«
Hester saß mit steifem Rücken da. Im Licht der Lampe wirkte ihr Haar heller, als es tatsächlich war. »Aus welchem Grund sollte Ballinger ihn töten oder töten lassen? Glaubst du, dass Phillips’ Tod ihm Angst eingejagt hat und er befürchtet, dass du diese Sache weiterverfolgst, bis du den Drahtzieher des Ganzen gestellt hast?«
Dieser Gedanke ließ Monk einen langen Moment überlegen. Hätte er
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