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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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stellte sich den Mann vor, mutterseelenallein in dem Boot, wie er die Pistole mit beiden Händen umklammerte, vor Kälte und vor Angst zitternd. Dabei war es wohl um die Ehre gegangen und nicht um Geld, wie der Sergeant annahm: die Schande, als Mann bloßgestellt zu werden, der sich mit obszönen Fotografien vergnügte und die Erniedrigung und den Missbrauch von kleinen Jungen dazu benutzte, seinen dunklen Hunger zu befriedigen. Doch das brauchte Monk dem Sergeant fürs Erste nicht zu sagen.
    »Wer arbeitet für ihn?«, fragte er. »Ich weiß von ’Orrie Jones, Tosh Wilkin und Crumble. Was können Sie mir über die drei sagen?«
    »’Orrie ist ein bisschen einfach«, antwortete der Sergeant. »Aber nicht so blöd, wie er tut. Wenn’s ihm passt, ist er plötzlich schlau genug. Crumble ist ein Mitläufer. Macht, was man ihm befiehlt. Au f T osh müssen Sie aufpassen.« Orme schüttelte den Kopf. »Das ist einer von der ganz üblen Sorte. Hab’s nie geschafft, ihn bei irgendwas zu erwischen, das genügt hätte, um ihn einzusperren.« Seine Züge hellten sich auf. »Könnte mir vorstellen, dass er derjenige war, der Mickey abgemurkst hat.«
    »Das bezweifle ich«, widersprach Monk voller Bedauern. »Wie ich das sehe, hatte Tosh ein großes Interesse daran, dass Mickey am Leben blieb und für Gewinne sorgte, denn davon hing das Einkommen der beiden ab.«
    »War er ein reicher Schieber?«
    »Nein«, erwiderte Monk in einem Ton fast völliger Gewissheit, »mit der Hehlerei von wertvollem Diebesgut hatte er nichts zu tun. Er hat sein Geld mit Pornografie verdient und war Zuhälter von kleinen Jungen, die er ein paar ausgewählten Kunden zur Verfügung stellte.«
    Der Sergeant stieß zwischen zusammengepressten Zähnen eine Reihe fürchterlich gotteslästerlicher Flüche aus. Er entschuldigte sich nicht dafür, was vielleicht gerade daran lag, dass er den Namen des Herrn ansonsten ehrte.
    Monk verzerrte die Lippen zu einem bitteren Grinsen. »Immer noch bereit, uns dabei zu helfen, seinen Mörder zu finden, egal, wer es ist?«
    Der Sergant blickte ihm mit blauen Augen fest ins Gesicht. »Unbedingt, Sir! Aber leider fällt mir im Moment nix ein, was Ihnen von Nutzen sein könnte.«
    Monk antwortete mit einem bellenden Lachen, das eine verquere Art von Freude ausdrückte. »Wie schade! Aber Sie haben doch sicher eine Liste mit den Namen und Adressen von Fährmännern, Bootsbauern, Kutschern, Ladeninhabern in Ufernähe und sonstigen Personen, die etwas gesehen haben könnten.«
    »Natürlich, Sir.«
    »Ist Mickey oft allein zu seinem Boot rausgefahren?«
    »Keine Ahnung, Sir. In einer nebligen Nacht lässt sich nur schwer sagen, wer wohin fährt. Das ist ja das Dumme mit dem Fluss. Aber da Sie selber bei der Wasserpolizei sind, schätze ich mal, dass Sie das alles besser wissen als ich.«
    »War das Boot Mickeys Eigentum?«
    Diese Frage schien den Sergeant zu verwirren. »Keine Ahnung. Aber ich denke, das lässt sich rausfinden.«
    »Das habe ich auch vor.« Monk bedankte sich und trat in den sich aufhellenden Morgen hinaus. Die mit der Flut steigende Wasseroberfläche spiegelte ein sich ständig bewegendes, grell glitzerndes Licht wider. Rostrote Bargensegel tauchten auf dem Fluss auf, keines davon blähte sich. Einige wenige Blätter begannen die Farbe zu wechseln. Die ersten trieben bereits durch die Luft.
    Schon jetzt ging es auf den Straßen geschäftig zu. Karren ratterten über die groben Pflastersteine, Männer riefen einander irgendetwas zu, während sie Säcke, Fässer und Holzbretter auf- oder abluden.
    »Was, glauben Sie, hat er um diese Stunde so spät in der Nacht da draußen gemacht?«, fragte Orme leise, während sie die Straße zum Ufer überquerten. »Hat ihn jemand in eine Falle gelockt?«
    »Möglicherweise«, räumte Monk ein. »Der Schlag gegen den Kopf, das könnte ein Gelegenheitsverbrechen gewesen sein. Der Täter hätte alles Mögliche benutzen können: ein Stück Holz, das gerade herumlag, ein zerbrochenes Ruder, einen halben Ast. Aber wer trägt schon ein verknotetes Seil mit sich herum?«
    »Teil vom Tauwerk eines Boots?«, schlug Orme vor. »Auf Booten oder in einer Werft gibt es ja immer Taue.«
    »Richtig«, stimmte Monk zu. »Aber hatte er es dabei? Oder ermordete er Mickey woanders, ehe er ihn ins Wasser warf und davontreiben ließ? Stromaufwärts von der Stelle, wo er gefunden wurde, gibt es keine Werften – zumindest nicht in der Nähe seines eigenen Boots, von wo er unserer Theorie nach

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