Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Verdacht gegen Harkness hegen könnten.« Seine Augenbrauen hoben sich. »Oder bin ich derjenige, den Sie verdächtigen?« Er sagte das mit gelinder Belustigung, doch seine Augen richteten sich mit beängstigender Direktheit auf sein Gegenüber.
    Monk setzte eine überraschte Miene auf. »Sie? Welcher Tat denn? Dass Sie vielleicht versucht sein könnten, Verständnis für Parfitts Mörder aufzubringen, wer immer das auch war? Viele, darunter auch ich, können ihn irgendwie verstehen. Aber ich glaube nicht, dass Sie lügen würden, um ihn zu schützen.« Er deutete ein Schulterzucken an. »Es sei denn, er wäre ein Familienmitglied. Aber zu dieser Vermutung besteht ja keinerlei Anlass.«
    Ballinger wirkte immer noch verwirrt. Monk senkte den Blick auf die Hände seines Gegenübers, die regungslos auf der mit Leder bezogenen Tischplatte ruhten. Nur mit äußerster Konzentration konnte man dafür sorgen, dass man sich derart still hielt.
    Monk lächelte. »Ich habe eine ungefähre Vorstellung, was den Zeitpunkt Ihrer Fahrt über den Fluss betrifft … mit der Fähre.« Er bemerkte, dass ein schwaches Lächeln Ballingers Mundwinkel geringfügig hob, und in diesem Moment erkannte er, dass Ballinger trotz allen Bemühens, diesen Eindruck zu erwecken, keineswegs überrascht war. »Natürlich haben wir diejenigen verhört, von denen wir wussten, dass sie sich dort regelmäßig aufhielten«, fuhr Monk mit fast ausdrucksloser Stimme fort. »Zum Beispiel Fährmänner. Es besteht ja immer die Möglichkeit, dass ein zufälliger Zeuge etwas gesehen haben könnte, dessen Bedeutung er erst später erkennt.«
    »Ich habe Rupert Cardew nicht gesehen«, erklärte Ballinger, die Augen forschend auf Monks Gesicht gerichtet. »Zumindest bin ich mir dessen nicht bewusst. Ich habe ein paar andere Leute am Fluss beobachtet; einige kamen mir wie junge Männer vor, die zweifelsohne privaten Vergnügungen nachgingen, aber ich könnte es nicht verantworten, irgendeinen Namen zu nennen. Es tut mir leid.«
    »Dennoch«, beharrte Monk, »wenn Sie mir den Zeitpunkt nennen könnten, so gut Sie sich daran erinnern, und mir exakt beschreiben, was Sie gesehen haben, würde uns das vielleicht auch helfen.«
    Ballinger zögerte, als verstünde er immer noch nicht, was daran so wichtig sein sollte.
    »Uns ist schon geholfen, wenn bloß die Version eines anderen bestätigt wird«, fügte Monk hinzu. »Oder widerlegt.«
    »Ich könnte niemanden identifizieren.« Ballinger vollführte eine Geste der Hilflosigkeit. »Bis auf den Fährmann natürlich. Stanley Willington.«
    Monk nickte. »Selbstverständlich. Aber wenn Sie eine oder zwei Personen bemerkt haben, kann uns das vielleicht weiterbringen. Oder wenn Sie gewisse Leute nicht bemerkt haben, obwohl sie zur fraglichen Zeit dort gewesen sein wollen …« Er ließ den Satz bewusst in der Luft hängen und überließ es Ballinger, Schlüsse daraus zu ziehen.
    »Ja … ich verstehe. Lassen Sie mich überlegen …« Ballingers Augen bohrten sich immer noch in die Monks, als handelte es sich um ein Duell, bei dem keiner als Erster nachgeben durfte. »Ich habe einen Hansom nach Chiswick genommen und dürfte gegen neun angekommen sein. Am Fluss hielt sich noch eine ganze Reihe von Leuten auf, obwohl es ja schon dunkel war. Ich habe sie als Schemen auf dem Kai wahrgenommen. Sie haben geredet, gelacht. Ich habe Rauch gerochen – Zigarren. Das habe ich deshalb in Erinnerung behalten, weil das Aroma nicht zu verkennen ist. Und es ist ein Hinweis auf Herren aus der besseren Gesellschaft.«
    Monk nickte. Das war wirklich klug von Ballinger, dass er diese Beobachtung eingestreut hatte.
    »Ich musste etwa zehn Minuten auf die Fähre warten. Ich zog es nämlich vor, wie stets mit Stanley zu fahren. Er ist immer so unterhaltsam.«
    Die Beschreibungen waren gut, und sie stimmten mit Willingtons eigener Aussage überein, was Ballinger mit Sicherheit von vornherein eingeplant hatte.
    Ballinger redete weiter. Alle Angaben bestätigten, was Monk bereits wusste, aber trotzdem dienten sie dem Zweck, den er verfolgte. Später würde er alles überprüfen, nicht nur mit Hilfe der Männer, die bis hinauf zum gut eineinhalb Meilen entfernten Mortlake am Fluss arbeiteten, sondern auch anhand von Bertie Harkness’ Angaben, dessen Adresse ihm Ballinger ebenfalls genannt hatte.
    Zu guter Letzt standen sie in der Tür, wo sich Monk beim Abschied noch einmal bedankte. »Ihre Angaben können sich als wertvoll erweisen und uns dabei

Weitere Kostenlose Bücher