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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einiges an Verständnis einbringen. Dafür zu sorgen ist Ihre Aufgabe und nicht der Schutz des Rufs anderer Männer in seiner Situation. Ich weiß von keinem Beweis, dass Cardews Version diesbezüglich in irgendeiner Weise nicht der Wahrheit entspräche.«
    Rathbone stemmte die Ellbogen auf den Schreibtisch und legte die Fingerspitzen leicht aneinander. »Sie bieten mir lebenslängliches Gefängnis im Tausch gegen ein volles Schuldeingeständnis einschließlich der beweisbaren Einzelheiten seiner Besuche auf dem Boot, der Beschreibung der Natur der dortigen Vorgänge und einer Darstellung der Zahlung von Erpressungsgeld an Parfitt? Und all das in der Hoffnung, dass es irgendwie zu dem Mann hinter dem Ganzen führt?«
    Es hatte keinen Zweck, sich um Bedeutungsnuancen zu streiten. »Ja.«
    »Ich werde ihn fragen, bin mir aber nicht sicher, ob ich ihm das in seinem Interesse empfehlen kann. Mein Gott, was für ein Durcheinander!«
    Darauf erwiderte Monk nichts.
    Den Rest des Tages konzentrierte sich Monk auf die Arbeit am Fluss. Im Pool of London war einem Mann von der East India eine größere Ladung Gewürze gestohlen worden, und es dauerte fast bis Mitternacht, die Waren aufzuspüren und wenigstens einige der an dem Verbrechen Beteiligten zu verhaften. Um Viertel vor eins wirkte der Fluss bei Neumond gespenstisch. Die mit eingeholten Segeln vor Anker liegenden Schiffe sahen im Sternenlicht aus wie ein fein gearbeitetes Flechtwerk aus Spitzen, wunderschön und ohne jede Farbe. Sonst gab es nur noch das gedämpfte Murmeln des Wassers und den scharfen Geruch von Salz in der Luft. Bei den Princes’ Stairs verließ Monk die Fähre und ging langsam den Hügel hinauf nach Hause.
    Hester hatte im Wohnzimmer das Licht brennen lassen, doch erst als Monk das Gas abdrehen wollte, erkannte er, dass sie zusammengerollt auf dem großen Sessel lag und tief schlief.
    Sein erster Gedanke war: Sie hatte auf ihn gewartet, sonst läge sie längst im Bett. Oder war Scuff krank? Nein, natürlich nicht, denn dann wäre sie jetzt bei ihm. Er erinnerte sich an die vielen Nächte, die sie im Stuhl neben Scuffs Bett verbracht hatte, als der Junge bei der Jagd auf die Verbrecher in der Kanalisation verletzt worden war.
    Er beugte sich über sie und sagte ganz leise, um sie nicht zu erschrecken, ihren Namen. »Hester.«
    Sie öffnete die Augen und setzte sich auf. Lächelnd strich sie sich Haare aus dem Gesicht. »Er war’s nicht!«, verkündete sie überglücklich.
    Monk war verwirrt und zu müde, um zu denken. »Wer war was nicht?«
    »Rupert Cardew!« Sie stand auf und war jetzt so nahe bei ihm, dass er ihre Wärme spürte und ihm der Geruch ihrer Haut, ihres Haars, ihrer frisch gewaschenen Baumwollkleider und ihrer Seife in die Nase stieg. »Es tut mir leid. Ich weiß ja, dass der Fall damit weiter offen bleibt und du mit der Fahndung wieder von vorn anfangen musst. Aber ich bin einfach so froh, dass Rupert es nicht war.«
    »Hat er dir das gesagt? Es überrascht mich, dass er dich zu sich hereingelassen hat. Hat sein Vater dich mitgenommen?«
    Ein angewiderter Ausdruck flackerte über ihr Gesicht. »Um Himmels willen, William! Für wie naiv hältst du mich! Nein, ich war nicht bei ihm und würde auch nicht erwarten, dass er mir gegenüber etwas anderes sagen würde.« Sie strich ihre Röcke ohne besondere Wirkung glatt; sie waren hoffnungslos zerknittert und bedurften dringend eines Plätteisens. »Mit Crows Hilfe habe ich eine Prostituierte aufgetrieben, bei der er an dem bewussten Tag war. Sie gibt zu, sein Halstuch gestohlen und jemand anders gegeben zu haben, ist allerdings zu verängstigt, um zu verraten, wer das war. Aber wenn Rupert es nicht hatte, kann er es auch nicht benutzt haben, um Mickey Parfitt zu erdrosseln. Und das Halstuch ist das einzige Beweismittel, das ihn wirklich belastet. Alles andere sind ja nur Indizien. Er hat nie geleugnet, auf dem Boot gewesen oder deswegen erpresst worden zu sein. Aber dasselbe gilt für so viele andere Leute.«
    Sie hatte soeben die Anklage gegen Cardew zu Fall gebracht. Monk hätte darüber befremdet oder wütend sein sollen, doch stattdessen empfand er eine geradezu absurde Erleichterung.
    Sie sah es in seinen Augen. Von einer Zentnerlast befreit schlang sie ihm die Arme um den Hals, zog zärtlich seinen Kopf zu sich herab und küsste ihn.
    Monk wachte spät auf. Hester war bereits auf den Beinen. Es dauerte noch ein wenig, bis ihm wieder einfiel, was ihm Hester über das Halstuch

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