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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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möglich gehalten«, gab Hester zu.
    Er zuckte zusammen. »Sie dachten wirklich, dass ich es war.« Das war eine Feststellung. »Hm, ich hätte es wohl tun können. Er hat nix Besseres verdient. Und wer immer die Schlinge zugezogen hat, ich würde Ihnen bestimmt nich’ helfen, ihn zu fangen. Aber ich war’s nich’.«
    Sie glaubte ihm.
    »Danke«, sagte sie leise. »Morgen werde ich Claudine fragen, ob sie sich daran erinnert, das geschrieben zu haben, und was sie damit gemacht hat.«
    »Aber lassen Sie sie bloß nich’ merken, was Sie ihr zugetraut haben!«, warnte Squeaky. »Das würde sie schrecklich verletzen, und das hat sie nich’ verdient.«
    Unwillkürlich musste Hester lächeln. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie Claudine und Squeaky einander am Anfang abgelehnt hatten. Sie hatte ihn für obszön gehalten, und zwar in physischer wie in charakterlicher Hinsicht. Er wiederum hatte sie als arrogant, nutzlos und kalt empfunden; eine Frau mittleren Alters mit beschränktem geistigen Horizont und zu keiner Leidenschaft fähig. Seine Haltung hatte sich erst geändert, als sie voller Angst und auf eigene Gefahr ihre verrückte Jagd nach Phillips’ pornografischen Fotografien gewagt hatte. Und seit er sie mit einer eines Romans würdigen Rettungsaktion aus den von zwielichtigen Gestalten bevölkerten Gassen des Armenviertels geborgen hatte, waren sie fast so etwas wie Freunde.
    »Sie wird nichts dergleichen von mir hören«, versprach Hester.
    Am Montagmorgen traf Hester früh in der Klinik ein und wollte gleich zu Claudine, doch eine kurze, geschäftsmäßige Besprechung mit Margaret in der Vorratskammer hielt sie auf.
    »Unsere Waschmittel gehen zur Neige«, warnte Margaret. »Ich war gerade in der Waschküche unten und habe den Mädchen ins Gewissen geredet, dass sie sie etwas weniger großzügig verwenden sollen. Wir können es uns nicht leisten, derart oft neue zu kaufen.«
    »Danke«, sagte Hester knapp. »Gibt es sonst noch was?«
    Margaret zögerte. Etwas schien ihr noch auf der Zunge zu liegen, doch dann überlegte sie es sich anders und ging hinaus. Hester hörte ihre Schritte, forsch und entschlossen, auf dem Holzboden.
    Sie traf Claudine im Medikamentenzimmer an, wo sie ihr sogleich das ominöse Papier zeigte, das sie so hielt, dass Claudine nur die Seite mit der Liste sehen konnte.
    Claudine studierte die Einträge stirnrunzelnd und blickte schließlich Hester in die Augen. »Was ist denn damit passiert? Das habe ich Margaret gegeben, und sie hat mir alles besorgt. Diese Liste ist schon mehrere Wochen alt.«
    Hester fühlte sich plötzlich mutlos und erschöpft. »Wie viele Wochen?«
    »Ich weiß nicht. Vier, vielleicht fünf. Warum? Das ist jetzt doch wohl kaum noch von Belang.«
    Hester ließ nicht locker. »Sind Sie sicher, dass Sie dieses Papier Margaret gegeben haben?«
    »Natürlich bin ich sicher.«
    »Und hat sie Ihnen tatsächlich alles besorgen können?«
    »Ja. Hätte etwas gefehlt, hätte ich es ihr noch einmal aufgeschrieben. Aber das war nicht nötig. Was soll das, Hester? Vermissen Sie etwas?«
    »Nein, überhaupt nicht. Es hat nichts mit der Klinik zu tun.«
    »Das verstehe ich nicht.« Claudines Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
    »Das ist auch besser so«, sagte Hester sanft. »Es ist die Nachricht auf der Rückseite, die wichtig ist, nicht das hier. Was ist denn aus der Liste geworden, als Margaret Ihnen das Bestellte beschafft hatte?«
    »Ich habe keine Ahnung. Nachdem ich ihr den Zettel gegeben hatte, sah ich ihn nie wieder. Wozu auch?«
    »Sie haben die eingegangenen Waren nicht auf der Liste abgehakt?«, regte Hester an.
    »Ich hatte ja die Quittungen des Apothekers. Das war alles, was ich fürs Kassenbuch brauchte.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie die Liste nie wieder zu Gesicht bekommen haben?«
    »Nicht bis heute. Warum?«
    »Danke.« Hester schenkte ihr ein winziges Lächeln, das wohl eher einer Grimasse glich, verließ den Raum und schloss leise die Tür.
    Vor dem Haus gab sie die Liste Monk zurück.
    Er wartete.
    »Das war Claudines Einkaufsliste für Margaret«, klärte sie ihn auf. »Die hat sie ihr aber nie zurückgegeben. Claudine hat dann die Preise den Quittungen des Apothekers entnommen.« Sie schluckte schwer. »Ich wünschte, es wäre jemand anders.«
    »Ich weiß«, murmelte Monk. »Es tut mir leid. Aber ich kann das nicht auf sich beruhen lassen. Wenn es Ballinger war, muss ich ihn trotz allem überführen, nicht Parfitts wegen, sondern um der Kinder

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