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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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genauer hinzuschauen? Wie viel tiefer sank man, wenn man den Betrieb eines Bordells für Frauen aufgab und stattdessen in Pornografie mit kleinen Jungen investierte?
    Monk befiel eine leichte Übelkeit. Er wusste, wie fest Hester von der Gutwilligkeit all der Leute in der Klinik überzeugt war, sie als Freunde und Freundinnen betrachtete, Menschen, die mit ihr eine Leidenschaft teilten und denen sie vertraute.
    »Ich muss ihn fragen«, erklärte Monk. »Ich kann nicht …«
    »Nein«, unterbrach sie ihn. » Ich mache das. Ich werde mich nicht von ihm übertölpeln lassen, das verspreche ich dir.«
    »Hester …«
    Sie stand auf. »Ich mache das. Heute noch. Jetzt gleich.«
    »Es ist Sonntag.«
    »Ich weiß.«
    Er musterte ihre hochaufgerichtete Gestalt, beobachtete, wie sie mit steifen Bewegungen das Geschirr abräumte und ins Spülbecken stellte, um es abzuwaschen – enorm konzentriert, als befürchtete sie, in einem Moment der Geistesabwesenheit zu fest zuzupacken und einen Teller zu zerbrechen.
    Vielleicht sollte er sie wirklich allein mit Squeaky sprechen lassen. Dann würde sie sich nicht so ohnmächtig, so hilflos fühlen.
    »Ich werde vor der Klinik warten«, versprach er ihr.
    Sie drehte sich zu ihm um und schenkte ihm einen flüchtigen Blick, etwas, das einem Lächeln glich. »Ich muss noch Brot, Butter und Marmelade für Scuff bereitstellen. Sobald ich ihn geweckt habe, bin ich so weit.«
    Squeaky Robinson blickte von seinem Kassenbuch auf, als Hester in sein Zimmer trat und die Tür hinter sich schloss. »Sie sehen aus, als hätten Sie sechs Pence verloren und nich’ wiedergefunden«, bemerkte er griesgrämig. »Macht Ihre Hoheit Schwierigkeiten?«
    »Nein, im Moment nicht«, antwortete Hester. Sie fischte den Umschlag aus ihrer Tasche, zog die Liste heraus und legte beides vor ihm auf den Tisch. Allerdings konnte er sie nicht an sich nehmen, denn sie stützte sich mit den Fingern auf dem Zettel ab.
    Squeakys Gesicht verriet keine Regung. »Der Zettel is’ zerrissen«, sagte er. »So nützt er nix. Sagen Sie Claudine, dass sie die Liste neu schreiben soll.«
    Hester ließ den Zettel los. »Ist das Claudines Handschrift?«
    »Natürlich! Sind Sie blind geworden, oder was?« Er blinzelte sie an. »Sie sehen ja richtig krank aus. Was ist los?« Er wirkte beunruhigt, ja, ernsthaft um sie besorgt.
    Sie drehte das Blatt um. Stirnrunzelnd beugte er sich darüber und überflog die Notiz. »Was, zum Henker, is’ das?«, murmelte er. »Es muss wohl was Ernstes sein, sonst wären Sie nich’ mit einer Miene wie ein geplatzter Stiefel reingeschneit. Wer soll nach …? Oh, Herrgott!« Die letzte Spur von Farbe wich aus seinem ohnehin fahlen Gesicht. »Es hat mit diesem verdammten Mord zu tun, richtig? Sie glauben doch nich’ im Ernst, dass Claudine da die Hände im Spiel hatte. Das is’ doch Unsinn! Sie müssen den Verstand verloren haben, wenn Sie glauben, dass sie über so was überhaupt Bescheid weiß! Halten Sie es wirklich für möglich, dass sie dort war und Mickey Parfitt abgemurkst hat? Mit Cardews Halstuch? Meinen Sie etwa, er hat es hier liegen lassen und sie …«
    »Nein, Squeaky, das meine ich nicht. Aber haben Sie es womöglich getan?« In dem Moment, da sie das sagte, fiel ihr Hattie Benson ein, die jetzt in der Waschküche unten sicher untergebracht war und sich in Claudines Obhut befinden sollte, während Squeaky die Aufgabe hatte, jeden Fremden von ihr fernzuhalten.
    In seinem Gesicht spiegelten sich widersprüchliche Emotionen: Zorn, Kränkung, Furcht, aber auch Sanftmut. »Nein, ich hab ihn nich’ umgebracht! Na ja, wahrscheinlich hab ich mir einen solchen Verdacht wegen meinem früheren Leben selber zuzuschreiben. Und wenn ich gewusst hätte, was dieser Parfitt für einer war, hätte es mich vielleicht sogar in den Fingern gejuckt. Aber dann wär ich nich’ so blöd gewesen, ihm ’ne Nachricht auf Papier aus diesem Haus zu schreiben!«
    »Ist es denn von hier?«, fragte Hester.
    Er studierte es noch einmal. »Nein. So viel Geld haben wir nich’ für Papier übrig. Selbst das Kassenbuch is’ nich’ so gut. Aber nur weil es von besserer Qualität is’, heißt das noch lange nich’, dass Claudine was damit zu tun hatte. Sie mag zwar altbacken sein, aber wenn man sie kennenlernt, weiß man, dass man sich auf sie verlassen kann. Sie hat Mut, und sie lügt einen nich’ an. Sie können ihr so was doch nich’ zutrauen. Das is’ einfach falsch!«
    »Das habe ich auch nicht für

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