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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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die Rue de Grenelle ein, die ruhig und dunkel dalag mit ihren hohen alten Stadthäusern.
    »Ist das überhaupt noch Ihre Richtung?«, fragte Mélanie jedes Mal, wenn wir in eine neue Straße kamen, und ich nickte und sagte Ja und bat sie, weiter zu erzählen von ihrer Freundin, die in der Bar eines Grand Hotels arbeitete und mittwochabends nie Zeit hatte, mit in die Spätvorstellung des Cinéma Paradis zu gehen, von ihrem Chef, dem übergewichtigen, Zigarren rauchenden Monsieur Papin, der mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus lag, weswegen sie im Moment zusammen mit ihrer Kollegin seinen kleinen Antiquitätenladen führte, in dem es alte Möbel und Belle-Époque-Lampen und Jugendstil-Schmuck und Badende aus handbemaltem Porzellan gab.
    »Sie arbeiten in einem Antiquitätenladen?«, unterbrach ich sie. »Wie hübsch! Das passt irgendwie zu Ihnen.«
    Ich stellte mir Mélanie an einem verwunschenen Ort inmitten kostbarer Preziosen vor und wollte sie gerade nach dem Namen des Ladens fragen, da sagte sie:
    »Meine Freundin fragt mich immer, was ich eigentlich an diesem ganzen Plunder finde.« Sie lachte. »Aber ich mag diese alten Dinge nun einmal. Sie strahlen so eine Ruhe und Wärme aus. Und jedes Ding hat seine Geschichte …«
    Mélanie schien in übermütiger Erzähllaune zu sein. Ich ging neben ihr her, lauschte ihrer melodischen Stimme, betrachtete ihren himbeerfarbenen Mund und dachte, dass sich so das Glück anfühlen musste.
    Als wir schließlich in der Rue de Bourgogne unvermittelt vor einem mehrstöckigen alten Gebäude stehen blieben, das gegenüber von einem kleinen Schreibwarenladen lag, dessen Auslage noch beleuchtet war, sah mich Mélanie fragend an.
    »Hier ist es«, sagte sie und wies auf das große dunkelgrüne Eingangsportal, an dessen Seite sich ein Schloss mit einem Zahlencode befand. »Sind Sie sicher, dass Sie immer noch in die richtige Richtung gehen?«
    »Ganz sicher«, sagte ich.
    Sie zog die Augenbrauen hoch und ihre Augen funkelten belustigt. »Wo müssen Sie denn eigentlich hin, Alain? Wohnen Sie etwa auch hier? In der Rue de Bourgogne?«
    Ich schüttelte den Kopf und grinste verlegen. »Ich wohne in der Rue de l’Université«, sagte ich. »Ganz in der Nähe vom La Palette, um ehrlich zu sein. Aber das war sicherlich der schönste Umweg meines Lebens.«
    »Oh«, sagte sie und errötete. »Um ehrlich zu sein, hatte ich das gehofft.« Sie lächelte und strich sich wieder mit einer raschen Bewegung eine Haarsträhne hinter das Ohr. Ich wusste schon jetzt, dass ich diese kleine Geste an ihr lieben würde.
    »Und ich hatte gehofft, dass Sie das hoffen würden«, erwiderte ich leise und mein Herz begann wieder zu klopfen. Die Nacht hüllte uns ein, als wären wir die einzigen Menschen in Paris. Und in diesem Augenblick waren wir es auch. Mélanies helles Gesicht leuchtete in der Dunkelheit. Ich sah auf ihren Himbeermund, der immer noch lächelte, und dachte, dass dies der Moment war, um sie zu küssen.
    Da hörten wir ein Geräusch und schraken zusammen.
    Auf der gegenüberliegenden Seite schlurfte ein älterer Herr in Pantoffeln den Bürgersteig entlang. Er warf einen Blick in die Auslage des Schreibwarengeschäfts und schüttelte missbilligend den Kopf. »Die sind doch alle verrückt, alle verrückt!«, zischte er. Dann sah er zu uns herüber und wackelte mit dem Zeigefinger in der Luft herum.
    »Lie-bes-paar!«, krähte er plötzlich und stieß ein koboldhaftes Lachen aus, bevor er weiterschlurfte.
    Wir warteten, bis der Alte in der Dunkelheit verschwunden war. Dann sahen wir uns an und lachten. Und dann sahen wir uns einfach nur an. Waren es Minuten oder Stunden, ich kann es nicht sagen. Irgendwo schlug eine Glocke. Die Luft begann zu vibrieren. Robert hätte mir sicherlich genau erklären können, welche elektrisch aufgeladenen Teilchen zwischen uns aufstoben wie ein Funkenregen.
    »Wäre jetzt nicht der Moment?«, fragte Mélanie. Ihre Stimme zitterte ganz leicht, als sie es sagte, aber ich bemerkte es doch.
    »Welcher Moment?«, sagte ich rau und zog sie in meine Arme, an meine Brust, in der mein Herz im rasend schnellen Takt eines wildgewordenen Kapellmeisters schlug.
    Endlich küssten wir uns, und es war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nur viel, viel schöner.

9
    Ich glaube, so glücklich wie ich in dieser Nacht war noch nie jemand die Rue Bonaparte entlanggegangen. Ich schritt beschwingt aus, die Hände in den Hosentaschen. Es war drei Uhr in der Frühe, aber ich

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