Eines Greifen Ei
wegen so 'nem bißchen Feuchtigkeit. Sie wird verdampfen, sobald du das nächstemal ins Vakuum gerätst.«
Doch Gunther hörte nicht zu. Er starrte die Irre an, die Posner mißhandelt hatte, und fragte sich, warum er Anya nicht früher erkannt hatte. Ihr Mund war zusammengepreßt, das Gesicht fest verkniffen vor Angst, als ob es an ihrem Hinterkopf einen Schlüssel zum Straffziehen gäbe, der dreimal zuviel umgedreht worden wäre. Auch die Schultern hatte sie jetzt furchtsam nach vorn gekrümmt. Und doch ...
»Es tut mir leid, Anya«, sagte er. »Hiro ist tot. Wir konnten nichts mehr für ihn tun.«
Sie fegte weiter, entrückt, unglücklich.
ER ERWISCHTE DAS LETZTE SAMMELTAXI der Schicht, das zurück ins Zentrum fuhr. Es war ein schönes Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Miiko Ezumi hatte entschieden, daß die Sauerstoff- und Wasserüberschüsse der außerhalb gelegenen Fabriken hergeschafft werden sollten, und anschließend einen Duschraum aus dem Felsen hauen lassen. Es stand eine lange Schlange für eine nur dreiminütige Benutzung an, und es gab keine Seife, aber niemand beschwerte sich. Einige Leute legten ihre Zeit zusammen und duschten gemeinsam zu zweit oder dritt. Diejenigen, die warteten, bis sie an der Reihe waren, rissen zotige Witzchen darüber.
Gunther wusch sich, griff nach sauberen Shorts und einem Glawkosmos-T-Shirt und tapste durch den Flur. Er blieb zögernd vor dem Gemeinschaftsraum stehen und hörte der Gruppe zu, die um den Tisch herumsaß und sich über die auffälligeren Irren unterhielten, denen sie begegnet waren.
»Hast du den Mäusejäger gesehen?«
»Und ob! Und Ophelia!«
»Den Papst!«
»Die Entendame!«
»Die Entendame kennt jeder.«
Sie lachten und freuten sich. Ein warmes Gefühl von Zusammengehörigkeit strömte aus dem Zimmer, etwas, das Gunthers Vater in seiner schmunzelnd-sentimentalen Art als Gemütlichkeit bezeichnet hätte. Gunther trat ein.
Liza Nagenda blickte auf, ganz Kiefer und Zähne, und erstarrte. Ihr Mund klappte zu. »Na, wenn das nicht der persönliche Spion der Ismailowa ist!«
»Wie bitte?« Bei dieser Anschuldigung stockte Gunther der Atem. Er sah sich hilflos im Raum um. Niemand erwiderte seinen Blick. Alle waren verstummt.
Lizas Gesicht war grau vor Zorn. »Du hast gehört, was ich gesagt habe! Du warst es doch, der Krishna verraten hat, oder nicht?«
»Also, so etwas Abartiges habe ich noch nie gehört! Du mußt ja eine unheimliche Scheiß ...« Mit großer Mühe beherrschte er sich. Es hatte keinen Sinn, ihrer Hysterie auf die gleiche Weise zu begegnen. »Es geht dich überhaupt nichts an, wie meine Beziehung zur Ismailowa geartet ist!« Er ließ den Blick um den Tisch schweifen. »Keiner von euch verdient es, etwas zu erfahren, aber Krishna arbeitete an einem Gegenmittel. Wenn irgend etwas, das ich gesagt oder getan habe, ihn veranlaßt haben sollte, ins Labor zurückzukehren, nun, dann mag das so sein.«
Sie feixte. »Und wie lautet deine Entschuldigung für die Schnüffelei im Fall von Will Posner?«
»Ich habe niemals ...«
»Wir haben die Geschichte gehört! Du hast ihm angedroht, du würdest mit deinen kleinen Helmvideos sofort zu deiner hochgeschätzten Ismailowa rennen.«
»Laß gut sein, Liza«, setzte Takayuni an. Sie brachte ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung zum Schweigen.
»Weißt du, was Posner getan hat?« Gunther fuchtelte mit einem Finger vor Lizas Gesicht herum. »He! Sag, weißt du das? Er hat eine Frau geschlagen - Anya. Er hat Anya in aller Öffentlichkeit verprügelt.«
»Na und? Er ist einer von uns, oder nicht? Und kein ausgeflippter, glotzender, tobender, sabbernder Irrer! «
»Du Miststück!« Außer sich vor Wut machte Gunther einen Satz über den Tisch zu Liza. »Ich werde dich umbringen, das schwöre ich!« Die Leute wichen entsetzt von ihm zurück; suchten das Weite; ein Hin und Her von Bewegung entstand. Posner warf sich Gunther in den Weg, mit weit ausgebreiteten Armen und männlich-kühn vorgerecktem Kinn. Gunther versetzte ihm einen Fausthieb ins Gesicht. Posner sah überrascht aus und stürzte nach hinten. Gunthers Hand schmerzte, dennoch fühlte er sich auf seltsame Art wohl; wenn alle anderen verrückt waren, warum sollte er es dann nicht auch sein?
»Versuch es nur!« kreischte Liza. »Wir wußten die ganze Zeit, daß du so ein Typ bist!«
Takayuni zerrte Liza in die eine Richtung davon. Hamilton packte Gunther und zog ihn in die andere. Zwei von Posners Freunden hielten diesen
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