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Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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wo der kniehohe Wald gewesen war. Kein einziger Sprößling war verschont geblieben; die Silberbirke war als Mondgewächs ausgerottet worden. Tote Karpfen schwammen mit dem Bauch nach oben in dem mit Ölschlick bedeckten Zentralsee, den jetzt ein Kettenzaun umgab, um die Irren abzuhalten. Bis jetzt war die Zeit zu knapp gewesen, um mit dem Wegräumen des Mülls zu beginnen, und als er sich umsah, entdeckte er überall Unrat. Es war traurig. Es erinnerte ihn an die Erde.
    Er wußte, daß es an der Zeit gewesen wäre zu gehen, doch er konnte nicht. Sein Kopf sackte herunter und berührte die Brust, und er riß ihn wieder hoch. Es war eine lange Weile vergangen.
    Das Zucken einer Bewegung ließ ihn herumfahren. Jemand in einem Boutique-Anzug in pastelligem Lavendel eilte vorbei. Die Frau, die ihn vor ein paar Tagen zum Büro des Stadtmanagers geschickt hatte. »Hallo!« rief er. »Ich habe alle genau dort angetroffen, wo Sie gesagt hatten. Ich war schon langsam im Begriff, Gespenster zu sehen.«
    Der lavendelfarbene Anzug wandte sich in seine Richtung um. Sonnenstrahlen glitzerten auf schwarzem Glas. Nach einer langen stummen Weile sagte sie: »Sprechen Sie nicht darüber!« und wollte weitergehen.
    »Ich suche Sally Chang. Kennen Sie sie? Haben Sie sie irgendwo gesehen? Sie ist eine Irre, eine ziemlich kleine Frau und auffallende Erscheinung, die grelle Kleidung zu bevorzugen pflegte, dazu elektrisches Make-up und solche Dinge.«
    »Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen.« Lavendel trug drei Sauerstofftanks auf den Armen. »Sie könnten es höchstens mal auf dem Strohmarkt versuchen.« Sie huschte geduckt in eine Tunnelöffnung und verschwand.
    Gunther starrte ihr verdutzt nach, denn schüttelte er den Kopf. Er war sehr, sehr müde.

    DER STROHMARKT SAH AUS, als hätte dort ein Sturm gewütet. Die Zelte waren eingerissen, die Stände umgekippt, die Waren geplündert. Orangefarbene und grüne Glasscherben knirschten unter den Füßen. Doch ein Gestell mit italienischen Seidenschals, die ein Jahresgehalt wert waren, standen unberührt mitten in dem Wirrwarr. Das ergab überhaupt keinen Sinn.
    Auf dem ganzen Marktplatz waren Irre emsig mit Saubermachen beschäftigt. Sie bückten sich und hoben Dinge auf und fegten den Boden. Eine von ihnen wurde von einer Anzuggestalt geschlagen.
    Gunther blinzelte. Er konnte das Ganze nicht als wirkliches Geschehen aufnehmen. Die Frau zuckte unter den Schlägen zusammen, kreischte wild und versuchte, ihnen auszuweichen. Eines der Zelte war wieder aufgebaut worden, und im Schatten seiner regenbogenfarbenen Stoffbahnen lehnten vier weitere Anzuggestalten müßig am Geländer. Nicht einer von ihnen bewegte sich, um der Frau zu helfen.
    »He!« rief Gunther. Er war ungeheuer verlegen, als ob er plötzlich mitten in ein Schauspiel gestolpert wäre, ohne sich an den Text oder die Handlung zu erinnern und ohne die geringste Ahnung zu haben, welches seine Rolle war. »Hören Sie auf!«
    Die Anzuggestalt drehte sich zu ihm um. Er hielt den schlanken Arm der Frau mit einer behandschuhten Klammerfaust fest. »Verschwinden Sie!« knurrte eine männliche Stimme mürrisch durch die Sprechanlage.
    »Was mischen Sie sich ein? Wer sind Sie?« Der Mann trug einen Westinghouse-Anzug, einer von etwa einem Dutzend unter den Nichtbetroffenen. Gunther erkannte ein braunes, nierenförmiges Narbenzeichen auf der Bauchplatte. »Posner - sind Sie das? Lassen Sie die Frau los!«
    »Sie ist keine Frau«, sagte Posner. »Verdammt, schauen Sie sie doch an - sie ist nicht einmal ein Mensch. Sie ist eine Irre.«
    Gunter stellte seinen Helm auf Mitschnitt ein. »Ich zeichne das auf«, warnte er. »Wenn Sie diese Frau noch einmal schlagen, wird Ekatarina es zu sehen bekommen. Das verspreche ich Ihnen.«
    Posner ließ die Frau los. Sie stand einen Augenblick lang benommen da, dann übernahm die Stimme aus ihrem PeCe wieder die Herrschaft über sie. Sie bückte sich, um einen Besen aufzunehmen, und machte sich wieder an die Arbeit.
    Während er seinen Helm ausschaltete, fragte Gunther: »Okay, was hat sie getan?«
    Empört streckte Posner einen Fuß vor. Er deutete verbissen darauf. »Sie hat auf meinen Stiefel gepinkelt.«
    Die Anzuggestalten im Zelt hatten die Szene mit Interesse beobachtet. Jetzt brachen sie in brüllendes Gelächter aus. »Selber schuld, Willy«, schrie einer von ihnen. »Ich habe dir ja gesagt, daß du nicht genügend Zeit für persönliche Hygiene eingeplant hast.«
    »Mach dir keine Sorgen

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