Eines Tages geht der Rabbi
flatternden Rechnungen beunruhigten ihn allmählich. Er besaß einen Notgroschen von etwa 6000 Dollar – den Rest seines Anteils aus dem Verkauf des elterlichen Hauses – und war fest davon überzeugt, daß der Wahlkampf diese Summe bis auf den letzten Dollar verschlingen würde.
Zuerst war er ganz bereitwillig zu allen möglichen politischen Versammlungen gegangen, war auf Lauras Drängen hin aufgestanden, um Fragen zu stellen oder eine Bemerkung zu machen, wobei er sich immer als Kandidat für den Senat vorstellte. Aber als er weder politisch noch geschäftlich so recht vorankam, hatte ihn der Mut verlassen. Und wenn ihm jetzt Laura von einer Gruppe erzählte, die sich traf, um über die Vorlage zum Umbau des Hafens zu sprechen, und meinte, es sei bestimmt günstig, dort zu erscheinen und seine Einstellung kundzutun, verschanzte er sich gern für diesen Abend hinter beruflichen Verpflichtungen, gab vor, in der juristischen Bibliothek etwas nachschlagen oder sich auf eine Verhandlung vorbereiten zu müssen. Er schätzte seine Chancen so gering ein, daß auch Laura sich allmählich Gedanken darüber machte, ob sie nicht auf einen Verlierer gesetzt hatte. Als der Barnard’s Crossing Courier einen Bericht über eine telefonische Meinungsumfrage veröffentlichte, aus der hervorging, daß die drei Kandidaten in der Wählergunst praktisch Kopf an Kopflagen, zeigte Scofield keine große Begeisterung.
«Was ist schon dran, wenn man mit zwei anderen Kopf an Kopf liegt?» fragte er trübselig. «Gefragt wurde in erster Linie nach den Posten von Gouverneur, Stellvertreter und Justizminister. Als sie dann zum Senat kamen, haben sie wahrscheinlich einfach die drei Namen Scofield, Baggio und Cash vorgelesen und haben wissen wollen, welcher der Befragten am sympathischsten ist. Wenn sie dabei alphabetisch vorgegangen sind, kam mein Name zuletzt. Der Durchschnittsbürger, dem die Sache sowieso ziemlich egal ist, hält sich an den letzten Namen, den er hört. Baggio und Cash sind beide Profis, sie haben eine Organisation hinter sich, sie kennen Leute, denen sie mal einen Gefallen getan haben oder die sich eine Gefälligkeit von ihnen erhoffen. Was für Chancen hat da schon ein Neuling?»
«Ganz falsch! Wissen Sie, warum Cash sich um den Senatorenposten bewirbt statt noch einmal für das Abgeordnetenhaus zu kandidieren? Weil er keine Chance hat, dort wiedergewählt zu werden, da können Sie fragen, wen Sie wollen. Daß er gegen die Hafenvorlage gestimmt hat, vergessen ihm die Leute in Lynn nie. Bei der Kandidatur für den Senat hofft er auf Stimmen aus Chelsea und Revere und Barnard’s Crossing, um damit die Niederlage auszugleichen, die ihm Lynn bereiten wird. Er rechnet nicht mit einem Sieg. Wenn er verliert, ist er, weil es ein höheres Amt ist, politisch nicht so unten durch wie bei einer Wahlniederlage im Abgeordnetenhaus.»
«Ja, davon habe ich auch schon läuten hören, aber –»
«Und Baggio hat nur in Revere ein Renommee. Und bei der Zweitentscheidung liegen Sie eindeutig in Führung.» Sie streckte ihm die Zeitung hin.
Aber er griff nicht danach, sondern fragte: «Was verstehen Sie unter Zweitentscheidung?»
«Jeder Befragte mußte angeben, wer sein bevorzugter Kandidat war, und wen er an die zweite Stelle setzen würde. Die Leute, die für Cash waren, haben sich teils für Sie und teils für Baggio an zweiter Stelle ausgesprochen, aber Ihre Leute haben sich für Baggio entschieden und Baggios Leute für Sie.»
«Na und?»
«Und das bedeutet, daß viele nicht so sehr für einen Kandidaten als gegen Cash sind. Wenn es Ihnen gelingt, Baggio ein paar Stimmen abzujagen, haben Sie’s geschafft.»
«Und wenn es ihm gelingt, mir ein paar Stimmen abzujagen, hat er es geschafft. Leider sind wir hier nicht beim Pferderennen mit erstem, zweitem und drittem Sieger. Hier zählt nur der erste Platz.»
Sie ärgerte sich über ihn und mehr noch über sich. Hatte sie ihn falsch beurteilt, sich so völlig in seinem Charakter getäuscht? Sollte sie sich zurückziehen? Vielleicht lohnte der Einsatz wirklich nicht.
«Es kann sein, daß ich verreisen muß», tastete sie sich vor. «Hätten Sie jemanden, der mich inzwischen hier vertreten könnte?»
«Wie lange war das denn?»
«Ein, zwei Wochen, vielleicht auch länger.»
«Ach, da komme ich schon zurecht. Ich kann ja inzwischen den Laden dichtmachen und nachmittags nur mal nach der Post sehen.»
Der Mann war unmöglich. Dabei brachte er alle Voraussetzungen mit. Er war
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