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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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groß, sah gut aus, war umgänglich und sympathisch. Sein Name war stadtbekannt, er war auf den richtigen Schulen, am richtigen College, auf der richtigen Universität gewesen. Gab es denn keine Möglichkeit, zu ihm durchzudringen, Verlangen und Ehrgeiz in ihm zu wecken, ihm den entscheidenden Schubs zu geben? Was war nur los mit ihm?

12
    Howard Magnuson zeigte sogleich seine Effizienz, indem er mit den Vorstands Sitzungen Schlag neun begann und sie nicht um zwölf, sondern gegen elf beendete. Wer früh essen wollte, um den Nachmittag auf dem Golfplatz zu verbringen, begrüßte die Neuerung, aber andere, die ihre Kinder sonntags in die Religionsschule brachten und ohnehin bis zwölf warten mußten, um sie wieder heimzufahren, wußten in dieser einen Stunde nicht recht, was sie anfangen sollten.
    Der Rabbi nahm an den Sitzungen nicht teil und bekam den neuen Präsidenten kaum zu sehen. Über einen Monat wechselten sie kein Wort miteinander. Zum Gottesdienst am Freitagabend erschien Magnuson nicht, und beim täglichen Minjan ließ er sich schon gar nicht sehen. Und er hatte auch kein Büro in der Synagoge, wo der Rabbi höflichkeitshalber hätte hereinschauen können. Er überlegte, ob er Magnuson abends einmal anrufen und ihn fragen sollte, ob er kurz vorbeikommen könne. Aber dann sagte er zu Miriam: «Es ist seine Sache, mich anzusprechen. Wenn ich ihn anrufe, denkt er womöglich, ich will mich aufdrängen.»
    «Aber er ist jetzt seit über einem Monat im Amt–»
    «Und wennschon. Er ist vermutlich ein vielbeschäftigter Mann, und bisher hat sich eben nichts ergeben, was mich unmittelbar betrifft.»
    Verschiedene Vorstandsmitglieder erzählten ihm das eine oder andere. Magnuson war offenbar beliebt, hauptsächlich weil er sich, entgegen der ursprünglichen Befürchtung, er könne kühl und unnahbar sein, umgänglich und liebenswürdig gab. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Graben zwischen den Gemeindemitgliedern und ihrem neuen Präsidenten blieb ihnen zwar bewußt, doch sie ließen das Magnuson weniger durch Zurückhaltung als durch eine Art kindlicher Hochachtung spüren, mit dem Ergebnis, daß er ihnen seinerseits eine fast väterliche Fürsorge entgegenbrachte.
    Harry Berg, der einen aus drei Lebensmittelgeschäften bestehenden Filialbetrieb hatte, berichtete: «Ich erzähle Bud Green von dem Zores, den ich mit unserer Bank wegen eines Kredits habe. Howard bekommt das mit und sagt: ‹Versuchen Sie’s doch in der Hauptstelle in Boston. Kann sein, daß die Filiale auf so was nicht so recht eingerichtet ist. Ich kenne den Leiter der Kreditabteilung. Wenn Sie wollen, ruf ich ihn mal an.› Ja, gern, sag ich – und stellt euch vor, wie ich hinkomme, empfängt der Mann mich wie den reichen Onkel aus Übersee.»
    Der Dermatologe Dr. Laurence Cohen, der gern ein bißchen an der Börse spekulierte, erzählte, wie er beiläufig eine Aktie erwähnt hatte, deren Wert sich angeblich in zwei Monaten verdoppeln sollte. « Ich hatte was von einem Übernahmeangebot läuten hören. Da zieht Howard ein Gesicht und meint, da sei er nicht so sicher. Ob er was wüßte, frag ich ihn, und er sagt klipp und klar, daß aus der Übernahme nichts wird. Also hab ich nicht gekauft, und die Aktien sind inzwischen um zwanzig Punkte gefallen.»
    Al Rollins war davon überzeugt, daß Howard Magnuson seiner Tochter zu einem Platz an dem College ihrer Wahl verhelfen hatte, «und noch dazu mit einem Teilstipendium», weil er an der richtigen Stelle ein gutes Wort für sie eingelegt hatte. Die einzige negative Beurteilung kam von Chester Kaplan, den der Rabbi beim täglichen Minjan sah. «Der Mann ist ein richtiger Goj, kommt am Schabbes nicht zu den Gottesdiensten, war noch nicht ein einziges Mal beim Minjan. Nicht mal am Yom Kippur. Ich–»
    «Zu Yom Kippur war er in der Synagoge», unterbrach der Rabbi ihn rasch. «Ich habe ihn gesehen.»
    «Vormittags vielleicht, auf eine Stunde. Und dann ist er zum Essen nach Hause gegangen, wollen wir wetten? Und so was ist Präsident.»
    «Die meisten unserer Präsidenten waren nicht fromm», sagte der Rabbi. «Von Jacob Wasserman und Ihnen einmal abgesehen.»
    «Schön, sie waren nicht fromm, aber sie sind zumindest in frommen Familien aufgewachsen, ihre Eltern haben noch auf Tradition gehalten. Sie waren nicht regelmäßig beim Minjan, aber zumindest zur Jahrzeit sind sie gekommen, wenn sie den Kaddisch sprechen mußten. Aber der hier läßt sich überhaupt nicht sehen. Hat er sich seit seinem

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