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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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daß Sie den Wisch ausfüllen.»
    «Er war an die Mitarbeiter der Synagoge gerichtet, an die Angestellten», sagte der Rabbi, «und ich betrachte mich nicht als Angestellten.»
    «Ich weiß schon, Sie sind der Rabbi des ganzen Gemeinwesens und nicht nur der Synagogengemeinde, das haben Sie uns ja oft genug gesagt, aber bezahlt werden Sie von der Synagoge, und in Magnusons Augen sind Sie damit dort angestellt. Vergessen Sie nie, daß Sie es nicht mit Sam Feinberg zu tun haben, David», sagte er deutlich besorgt, «sondern mit Howard Magnuson.»
    «Und wo ist da der Unterschied?»
    «Genau das versuche ich Ihnen ja gerade klarzumachen. Für Sam Feinberg und für uns sind Sie der Rabbi, so was Ähnliches wie für einen Iren der Priester. Aber für Howard Magnuson sind Sie einfach ein Angestellter, ein Untergebener, einer von denen, die er sein Leben lang herumkommandiert hat.»

11
    Das untere Drittel der Schaufensterscheibe bedeckte ein Schild, das in großen Lettern forderte: Wählt Scofield zum Senator! Darunter stand kursiv und in Anführungszeichen: «Unser Motto: Bewährtes bewahren!» In dem Laden standen ein Schreibtisch, ein langer Tisch, der mit Stößen von Wahlkampfmaterial vollgepackt war, vier hölzerne Lehnsessel, zwei stählerne Aktenschränke und ein Stapel Klappstühle – alles von einem Büroausstatter am Ort gemietet. Hinter einer Trennwand verbargen sich ein Kleiderschrank, Toilette und ein Waschtisch, über dem ein kleiner Spiegel hing.
    Wenn man über die High Street ging, konnte man meist knapp über dem Schild im Schaufenster Lauras Kopf sehen, wenn sie gerade am Schreibtisch saß. Auch jetzt saß sie dort und sah die Post durch. Sie schlitzte die Umschläge auf, prüfte kurz den Inhalt und legte sie auf einen von mehreren Stapeln, die sie vor sich aufgebaut hatte. Auf den einen kamen Werbebroschüren von Druckereien, Herstellern von Plastikbuttons, Ausschnittbüros, Fotografen, Elektronikläden, die Lautsprechersysteme vermieteten – alles Dinge, die man vielleicht für den Wahlkampf brauchen würde. Auf einen zweiten kamen Rechnungen – die meisten von Firmen dieser Art –, der dritte, wichtigste bestand aus Briefen, die Spenden enthielten. In einem war ein ganzer Bogen Briefmarken, in einem ein Scheck über 100 Dollar. Als sie ihn mit nur schlecht verhehlter Aufregung Scofield zeigte, nickte er sachlich, nachdem er einen Blick auf die Unterschrift geworfen hatte. «Mein Schwager. Dem hat bestimmt meine Schwester keine Ruhe gelassen.»
    Sie vermerkte bei jeder Spende Namen, Adresse und Betrag und sah darauf, möglichst ein oder zwei Tage nach Eingang der Briefe ein bestätigendes Dankschreiben abzuschicken. Dazu hatte sie drei Formbriefe entworfen, einen für kleine Spenden (unter 5 Dollar), einen für größere und einen für Beträge über 50 Dollar. Dieser dritte Formbrief fand zu ihrem Leidwesen nur selten Verwendung. Manchmal bekam sie anonyme Spenden in bar, und in solchen Fällen legte sie 5 oder 10 Dollar aus ihrer eigenen Tasche dazu.
    Sie kam vormittags gegen zehn, blieb bis zwölf und ging dann zum Mittagessen nach Hause. Während dieser Zeit hängte sie einen Zettel ins Fenster, daß sie nachmittags wieder zu erreichen sei. Gegen zwei kehrte sie zurück. Häufig gab es nichts für sie zu tun, dann las sie das Lokalblättchen und die Bostoner Zeitungen und schnitt Artikel für Scofield aus. Manchmal tauchte jemand auf, um einen Ratschlag loszuwerden: «Wissen Sie, Scofield sollte seine Gegner zu einer Podiumsdiskussion auffordern. Da könnte er mal zeigen, was er kann …» Eine Einladung auszusprechen: «Wir haben so eine Diskussionsgruppe, die sich einmal in der Woche trifft, da kommen alle möglichen Themen zur Sprache, von den Vereinten Nationen bis zum Knöterich. Mit Scofield könnten wir an einem Abend auch mal über Kommunalpolitik reden …» Um Informationen zu erbitten: «Wie steht er zur Überprüfung der Hafenvorlage? Das möchte ich jetzt mal wissen …» Um Hilfe anzubieten: «Ich habe mir gedacht, daß Sie vielleicht jemanden für halbtags brauchen. Ich hab zwei Kinder, aber vormittags bin ich frei, weil sie da in der Schule sind. Ich kann ablegen und tippen, allerdings nicht sehr schnell …» Oder: «Brauchen Sie vielleicht einen guten Fahrer? Um Sie zu Versammlungen zu fahren oder so …» Oder: «Haben Sie schon genug Leute zur Betreuung der Wahllokale?» Oder – weit vorausschauend: «Ich bin ein erstklassiger Gärtner. Vielleicht kennt Mr. Scofield ’ne

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