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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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gegangen.»
    «Interessant. Warum haben sie sich getrennt? Hat es Krach gegeben?»
    «Nicht, daß ich wüßte. Aber er ist dann in den Süden gegangen und sie nach Boston. Dann hat sie sich wohl anderweitig engagiert und das Interesse an ihm verloren.»
    Lanigan überlegte einen Augenblick. Dann sah er den Sergeant scharf an. «Mich würde interessieren, was dieser Tom Blakeley am Mittwoch abend gemacht hat.»
    Sergeant Dunstable lachte. «Das kann ich Ihnen sagen. Ich mußte an dem Abend zur Magistratssitzung, wegen dieses Einbruchs in den Schnapsladen. Weil ich den Jungen mit dem falschen Ausweis geschnappt hatte, der das Bier gekauft hat. Und als ich meine Aussage gemacht hatte, bin ich ins Ship’s Galley gegangen. Das war so gegen halb neun, und Tom Blakeley war schon mächtig in die Kanne gestiegen.»
    «In die Kanne gestiegen?»
    «Hat sich vollaufen lassen. Brabbelte was davon, daß seine Freundin ihn versetzt hat. So um zehn wollten sie ihm nichts mehr geben, und er ist abgezogen. Ich nehme an, daß er heimgefahren ist und sich ins Bett gelegt hat.»
    «Das wäre jedenfalls das Vernünftigste gewesen», meinte Lanigan. «Wissen Sie, was für einen Wagen er fährt?»
    Dunstable schüttelte den Kopf. «Läßt sich aber leicht feststellen.»
    «Nein, lassen Sie nur, es ist nicht weiter wichtig. Schönen Dank für Ihre Hilfe, Sergeant.»

40
    Rabbi Small lehnte sich im Besucherstuhl von Chief Lanigan zurück. «Ich habe Paul Kramer getroffen, er hat mir erzählt, daß jemand bei Ihnen war und –»
    «Ganz recht. Eine junge Frau. Sie hat ausgesagt, sie sei die ganze Nacht bei ihm gewesen.»
    «Und was werden Sie jetzt unternehmen?»
    «Ich werde mich hüten, irgendwas zu unternehmen. Weshalb sollte ich? Das ist jetzt Sache des District Attorney.»
    «Haben Sie ihm Bericht erstattet?»
    «Natürlich. Eigentlich müßte er den Anwalt des Beschuldigten verständigen. Wahrscheinlich hat er das auch getan.»
    «Und wie geht es dann weiter?»
    «Kommt drauf an, wie der Anwalt taktiert. Er kann sich beim District Attorney für die Niederschlagung des Verfahrens verwenden. Oder aber er hebt es sich als Überraschungseffekt für die Verhandlung auf.»
    «Aber das verstehe ich nicht. Mit dieser Aussage ist er doch entlastet. Wenn sie bereit ist zu bestätigen, daß sie die ganze Nacht bei ihm war und daß sie beide das Haus nicht verlassen haben …»
    «Es könnte sein, daß der D.A. es ihr nicht abnimmt, David», sagte Lanigan nachsichtig. «Und Pauls Anwalt auch nicht. Und dann ist es wirklich gescheiter, wenn er es sich für die Verhandlung aufhebt, weil er sich sagt, er könnte die Jury vielleicht so weit verunsichern, daß es zu einem Freispruch reicht.»
    «Würde ein Mädchen auch dann seinen Ruf aufs Spiel setzen, indem es zugibt, daß es die Nacht bei einem jungen Mann verbracht hat, wenn es sich nicht um eine Verurteilung wegen einer Straftat handelte?» fragte der Rabbi.
    «Sie kennen die heutige Jugend nicht, David, die sind nicht wie Sie in dem Alter, es ist eine andere Rasse.»
    «Nun ja, so ganz fremd sind sie mir auch nicht», sagte der Rabbi. «Ich habe Nach-Bar-Mitzwa-Kurse abgehalten, und –»
    «Das ist was anderes, zu diesen Kursen gehen sie aus religiösen Gründen. Sie sind der Rabbi, deshalb benehmen sie sich anständig und hüten sich, was zu sagen, womit Sie nicht einverstanden wären. Aber ich erlebe sie, wenn sie in der Klemme sitzen. Sie glauben, daß es dem Mädchen peinlich wäre zuzugeben, daß es die ganze Nacht mit einem jungen Mann verbracht hat?»
    «Paul ist auch nur sehr zögernd damit herausgerückt», warf der Rabbi ein.
    «Klar, weil junge Männer, besonders die unter zwanzig, eher konservativ sind, jedenfalls in puncto Sex. Aber die jungen Frauen sind anders geworden. Sie scheuen sich nicht zuzugeben, daß sie mit einem Mann geschlafen haben. Im Gegenteil, es ist ihnen eher peinlich, wenn sie noch unberührt sind. In den Augen ihrer Clique sind sie damit spießig und wohl auch unattraktiv. Für das Mädchen war es kein Opfer, mit dieser Geschichte zu mir zu kommen, es bedeutet ihr ebensowenig, als wenn sie mir erzählt hätte, sie habe bei ihrer Freundin Beth McAllister übernachtet.» Er legte die Hände auf den Tisch und fuhr fort: «Was bleibt, ist eine unbewiesene Aussage. Sie behauptet, sie habe die Nacht mit ihm verbracht. Aber die Mutter können Sie nicht fragen, weil die glaubt, sie sei bei Beth McAllister gewesen. Also gehen Sie zu Beth McAllister, und was passiert?

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