Eines Tages geht der Rabbi
einhandelt, ist ihm die Stelle sicher. So eine Chance kriegt man nicht alle Tage, auf so was könnte Herbie lange warten.»
«Wir haben auch schon anderweitig unsere Fühler ausgestreckt, Morris …»
«Ach, erzähl mir doch nichts. Mit Kansas ist nun wirklich kein Staat zu machen. Hier seid ihr an der Ostküste, Dolly. Boston und Cambridge sind nur eine halbe Stunde entfernt, Theater und Konzertsäle und die Universitäten …»
«Paß auf, wir lassen uns die Sache durch den Kopf gehen und sagen dir Ende der Woche Bescheid. Einverstanden?»
«Nichts da. Jetzt ist es zehn. Bis elf ruft ihr an, keine Minute später. Ich bleibe am Telefon sitzen.»
Als um elf das Telefon läutete, war Dolly Halperin am Apparat. «Also gut, Morris, wir machen mit. Und was tun wir jetzt?»
«Im Augenblick noch gar nichts. Ihr faßt euch erst mal in Geduld. Und am Sonntag – wenn wir bis dahin den Stein ins Rollen gebracht haben – oder spätestens am Sonntag in einer Woche ruf ich euch an. Es wird am besten sein, wenn Herbie erst mal allein anreist. Er kann bei uns wohnen. Wenn alles gutgeht, kommst du später mit den Kindern nach und siehst dich nach einem Haus um. Aber sag noch nichts, bis du von uns gehört hast, alles klar?»
«Du bist der Boss, Morris.»
Morris sah auf die Uhr. Nein, es war noch nicht zu spät, Magnuson anzurufen. «Die Sache läuft», berichtete er. «Ich mußte ganz schön reden, und ohne die Rückenstärkung meiner Schwägerin hätte ich es wohl nicht geschafft, aber er hat zugesagt.»
«Und mein kleines Problem?»
«Ich habe ihm klargemacht, daß das dazugehört. Publicity braucht er nicht zu befürchten, hab ich ihm gesagt, auch wenn die Presse was über die Hochzeit bringt. Es ist ja eine Haustrauung. Wenn Ihre Tochter eine Anzeige in die Zeitung setzt, braucht sie ja nicht unbedingt hineinzuschreiben, wer die Trauung vornimmt. Oder wir sagen ‹Reverend Halperin›, dann denken die Leute gleich an einen protestantischen Pfarrer. Ich meine – die Sache mit dem Rabbi muß doch nur sein, weil Laura es ihrer Großmutter versprochen hat, die es inzwischen nicht mehr gibt. Und deshalb braucht sie die Sache auch nicht an die große Glocke zu hängen, wie?»
«Ja, ich denke, so müßte es gehen», sagte Magnuson. «Ich habe mir das Videoband angesehen und hatte einen guten Eindruck von Ihrem Bruder. Ich glaube, er ist genau der richtige Mann für uns. Allein kann ich das natürlich nicht entscheiden, wir brauchen einen Konsensus im Vorstand. Ich habe mir deshalb gedacht, daß ich ein paar Leute für morgen oder übermorgen zu einem kleinen Abendessen einlade – nichts Großartiges, nur ein paar Brote und was zu trinken –, dann könnten wir denen das Videoband zeigen, und wenn er ihnen gefällt, können wir die Sache auf der nächsten Vorstandssitzung zur Sprache bringen.»
«Sie hatten aber nicht an den ganzen Vorstand gedacht, oder?»
«Nein, es ist besser, wenn wir nur die einladen, mit deren Zustimmung wir rechnen können. Damit hätten wir doch die Mehrheit, nicht?»
«Ich glaube schon. Bestimmt sogar. Und für die anderen könnten wir an einem der nächsten Tage die Vorführung wiederholen und –»
«Nichts da, Morris. Im Management macht man das anders. Wenn man die Stimmen hat, peitscht man das Projekt durch. Das ist zwar nicht demokratisch, aber nur so funktioniert es.»
42
Als Miriam sah, daß der Rabbi den linken Ärmel hochkrempelte und die Gebetsriemen aus der blauen Samttasche holte, fragte sie: «Gehst du nicht zur Synagoge, David?»
«Nein, heute nicht.»
Sie sah ihm einen Augenblick zu, wie er Tallit und Tefillin umlegte, sich nach Osten wandte und mit dem Morgengebet begann. Dann ging sie in die Küche und beschäftigte sich mit dem Frühstück. Es war ein frischer, klarer Sonntagmorgen. Bei diesem Wetter ging er sonst gern zu Fuß zur Synagoge. Ein- oder zweimal sah sie zu ihm hin und versuchte, an seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck zu erkennen, ob er verstimmt oder bekümmert war.
Als sie am Frühstückstisch saßen, fragte sie: «Heute ist wieder Vorstandssitzung, nicht?»
«Ganz recht. Der Präsident hat mich gebeten, nicht zu kommen.»
Sie lächelte tapfer. «Wieder eine Gehaltserhöhung?»
«Eher das Gegenteil. Diesmal hat unser Präsident deutlich gemacht, daß er mich zu Vorstandssitzungen in Zukunft nicht mehr zu sehen wünscht.»
«Was ist denn passiert?»
«Ich habe ihm geraten zurückzutreten.»
«Das darf doch nicht wahr sein,
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