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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Wenn sie sich endlich dazu bequemt hat zuzugeben, daß sie Fran Rückendeckung gegeben hat, werden Sie nur erfahren, daß sie eine Telefonnummer bekommen hatte, die sie anrufen sollte, falls Frans Mutter ihre Tochter sprechen wollte. Was für eine Nummer? Weiß sie nicht mehr. Beth hat sie aufgeschrieben, aber der Zettel ist natürlich inzwischen weg. Oder sie hat die Nummer noch, aber wer sagt uns, daß sie die nicht bekommen hat, nachdem sich Fran und Paul die Geschichte ausgedacht haben? Und Fran Kimball selbst sagt, daß niemand sie beobachtet hat, wie sie Pauls Haus betrat oder es am nächsten Morgen verließ.
    Selbst wenn wir ihr abnehmen, daß sie die ganze Nacht bei Paul war, ist er damit noch nicht aus dem Schneider. Es ist kein Beweis dafür, daß sie das Haus nicht verlassen haben. Stellen Sie sich mal folgendes vor. Sie geht zu ihm, und sie setzen sich an ihre Bücher. Gegen zehn schlägt einer der beiden vor, eine Stunde Pause zu machen, irgendwo ein Bier zu trinken oder einen Hamburger zu essen. Auf dem Rückweg fahren sie durch die Glen Lane, und es kommt zu dem Unfall. Und dann –» Er unterbrach sich und griente breit. «Besser noch. Nehmen wir an, sie saß am Steuer und hat den Unfall gebaut. Natürlich verliert sie die Nerven und hat Angst, es der Polizei zu melden. Sie fleht ihn an, sie nicht zu verraten, und er stimmt zu – unter der Bedingung, daß sie die Nacht mit ihm verbringt. Und als er verhaftet wird, schickt er sie zu mir. Was halten Sie davon?»
    «Ihr ‹besser noch› macht die beiden um vieles schlimmer», sagte der Rabbi trocken. «Haben Sie schon mal überlegt, daß sie vielleicht beide die Wahrheit gesagt haben? Ob nun Paul den Unfall verursacht hat oder das Mädchen oder beide zusammen – hätte er seinen Wagen dann offen in der Glen Lane abgestellt, obwohl er ihn in der eigenen Garage hätte unterbringen können?»
    «Warum nicht? Wenn er betrunken war. Oder high.»
    «Schön, nehmen wir einmal an, er war in der Nacht betrunken. Aber hätte er seinen Scheinwerfer in einer hiesigen Werkstatt austauschen lassen? Das war am nächsten Nachmittag, inzwischen muß er stocknüchtern gewesen sein.»
    «Nicht unbedingt», meinte Lanigan. «Ein Alkoholrausch wäre bis dahin vorbei gewesen. Die Wirkung von Drogen kann bis zum nächsten Tag anhalten. Aber eins nach dem anderen. Würde einer, der seine fünf Sinne beisammen hat, sich die Mühe machen, die Schuld an einem Verkehrsunfall einem anderen in die Schuhe zu schieben, obwohl nichts ihn daran hindert, sich unbemerkt davonzumachen. Und sein eigener Scheinwerfer wäre ja intakt geblieben. Überlegen Sie mal, was er riskiert hätte. Man hätte ihn beim Kaputtschlagen des Scheinwerfers sehen können, vielleicht hätte jemand mitgekriegt, wie er zurückfuhr und die Scherben neben der Leiche verstreute.»
    «Er könnte–»
    «Und sagen Sie mir nicht, daß er vielleicht betrunken oder high war, David, das hatten wir schon.»
    «Ich wollte sagen, daß er Paul gehaßt haben könnte», sagte der Rabbi leicht gekränkt.
    «Und daß er sich für etwas rächen wollte? Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Das müßte wirklich ein ganz großer Zufall sein. Er verursacht einen schweren Verkehrsunfall, und gleich darauf sieht er nur ein paar Meter weiter das Auto seines Feindes draußen auf der Straße stehen, der Besitzer ist nicht in der Nähe, es ist dunkel und spät. Es müßte jemand von hier gewesen sein, sonst wäre er nicht durch die Glen Lane gefahren. Aber die Kramers sind erst seit ein paar Monaten hier. Daß sich in dieser Zeit eine Todfeindschaft entwickelt hat, glaube ich kaum. Und hätte Paul davon nicht vielleicht etwas gewußt? Aber als Sie mit ihm sprachen, hat er angedeutet, die Polizei wolle ihm was anhängen. Wenn er wirklich einen so gefährlichen Feind hatte – warum hat er nichts davon gesagt, statt uns zu beschuldigen? Jemanden einen Totschlag anzuhängen ist eine ziemlich schäbige Sache, finden Sie nicht?»
    «Natürlich ist es das. Wir nehmen das wahrscheinlich noch ernster als Sie. Es ist ein Verstoß gegen das Gebot ‹Du sollst nicht falsch Zeugnis reden …› Bei uns würde es strenger bestraft.»
    «Ach ja?»
    «Nach dem Gesetz der Bibel hieß es: Wenn jemand falsches Zeugnis ablegt, ‹dann sollst du ihm antun, was er seinem Bruder hat antun wollen›.»
    Lanigan nickte. «Hört sich vernünftig an. Allerdings lassen wir Meineidige ja auch nicht allzu billig davonkommen. Aber das gilt wohl nur für eidliche

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