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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ploeger
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sich. Wenn wir schon prekär arbeiten müssen, sagen sie sich, wollen wir wenigstens das Beste rausholen. Wer optimistisch ist, fügt hinzu: … und dabei die einmalige Gelegenheit beim Schopf ergreifen, uns ein großes Stück vom guten Leben zu nehmen.
    Und sie legen los, experimentieren mit Erwerbsformen, probieren, wie sie mit weniger Geld auskommen oder mit noch mehr Jobs, sie erfinden neue Beschäftigungen, Biografien und neue Berufe. Brotjobber beispielsweise haben eine Beschäftigung, die ihnen keine Freude, aber dafür das Geld bringen muss, und daneben ein paar Tätigkeiten, die sie wichtig nehmen, die aber zum Einkommen wenig oder gar nichts beitragen. Weniger strukturiert sieht es bei den Parallelarbeiterinnen aus. Sie sind die Multijobber unter den Arbeitssammlern, sie sind dreifach, vierfach, achtfach beschäftigt, aber immer in einem Bereich (zum Beispiel Erwachsenenbildung). Keiner ihrer Jobs für sich genommen trägt ihre Existenz, alle zusammen schon. Fällt einer weg, sind noch die anderen da, die in die Bresche springen können. Der Typus »Proteus« steigert die Berufspromiskuität noch, indem er völlig auf ein einheitliches Berufsfeld verzichtet (und damit auf die Vorstellung von einem Beruf schlechthin). Er ist vieles gleichzeitig: Zeitungsausträger, Plakatgestalter, Aktivist, Online-Redakteur, Brotbäcker und Familientherapeut, alles professionell, manchmal ohne Zertifikat. Die Wechslerin, der vierte Typus, ist die unstete unter den Arbeitssammlerinnen. Sie bleibt, anders als der Proteus, bei einer Grundqualifikation (zum Beispiel grafisches Gestalten), ändert aber ständig ihren Anwendungsbereich, beginnt als Werbegrafikerin, layoutet dann für ein Jahr Kataloge, pflegt danach Webseiten als Angestellte eines Modeunternehmens und so weiter. Die »Rigorosen« schließlich bleiben bei ihrem Beruf aus Passion, weil er für sie mehr als für andere eine Berufung ist. Sie ziehen ihn durch, auch wenn das Geld knapp wird und sie zeitweise mit Jobs dazuverdienen müssen. 88
    Im Effekt bauen die Arbeitssammlerinnen stetig an der zweiten Arbeitswelt: an einem neuen Berufsbegriff, an wechselhaften, dynamischen und vielfältigen statt stabilen und berechenbaren Berufsbiografien. Sie gewinnen ein Stück weit ihre Zeit zurück, so wie Otium und die Glücklichen Arbeitslosen es fordern. Sie haben in vielen Belangen ihre Autonomie erreicht, können auf ihre individuellen Bedürfnisse hören. Dabei stoßen sie unter Umständen auf die Erkenntnis, bis hierher Bedürfnissen nachgelaufen zu sein, die sie nun weniger wertschätzen: dem nach Konsum zum Beispiel. Stattdessen schätzen sie die nicht materiellen Belohnungen höher, die Zeit, die sie zur Verfügung haben, oder ein Treffen mit Freunden, oder den Blick aus dem Fenster auf die Birke im Nachbargarten.
    Sind wir also so weit, dass wir unsere Leidenschaften zum Beruf machen können, wie Markus Albers in »Meconomy«postuliert? 89 Leider können sich das nach wie vor wohl nur wenige erlauben. Noch können wir nicht, wie wir wollen, aber einige müssen schon. Die Arbeitssammlerinnen unterliegen ja dem abstrakten Druck, dass die erste Arbeitswelt sie nicht wirklich haben will. Ihre Wahl pro Leidenschaft ist insofern gar keine Wahl, sondern eine bedingte Entscheidung. Noch ist Arbeitssammeln mithin eine pragmatische Reaktion auf von außen Gegebenes. Es geht nichts anderes, also wurschtelt man sich durch, macht eben irgendwie das Gute im Schlechten.
    Immerhin: Einmal in der zweiten Arbeitswelt angekommen, entwickeln die Arbeitssammler beachtliche Räume für selbstbestimmtes Handeln. Sie treiben ihre Experimente weiter, reflektieren ihre Ansätze, und einige wissen bereits, dass sie aus der Arbeit herausgegangen, aber auf dem Weg zu einem guten Leben sind. Vielleicht werden diese Wege einmal zu einem Grundkanon für uns alle werden und die Arbeitssammler zu Pionieren für ein gutes Leben mit Arbeit – der anderen Arbeit.
Mehr als Spaß
    Alle drei Typen »anders Beschäftigter« – mit Muße Tätige, selbst organisierte Betriebe, Arbeitssammler – teilen die Gemeinsamkeit, dass es ihnen im Grunde um eine Neubewertung der konventionellen Arbeit geht. Das ist durchaus auch im Sinne der Frage gemeint, wie die Leistung des Arbeitenden zu bemessen und adäquat zu entgelten ist. Die Firma CPP hat die Frage entschlossen mit einer Niveauangleichung der Löhne beantwortet. Bei ihnen bekommt jeder das gleiche Geld, fertig! Gernot Pflüger ist sich bewusst, dass sie

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