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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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hat, trotzdem sind sie weit unter ihrem üblichen Tagespensum geblieben. Die Neuen sind leicht zu erkennen: Sie tragen die Uniform, die sie bei ihrer Ankunft erhalten haben, sie hatten bisher weder Zeit noch Gelegenheit, ihre eigenen Sachen anzufordern. Und sie stellen sich direkt hinter die Alteingesessenen, um ihre Rauchschwaden einzuatmen, sie stürzen sich auf die Kippen, die diese verächtlich auf den Boden schnippen. Zeit, die Verhandlungen aufzunehmen.
    Â»Hey, ich bin Abdel. Brauchst du Fluppen?«
    Â»Ousmane. Klar, Mann! Was willst du dafür?«
    Â»Diese Jeansjacke da, ist die von Levi’s?«
    Â»Für dich ist die doch viel zu groß.«
    Â»Egal, hab schon Verwendung dafür … Vier Schachteln, und du gibst mir die Jacke.«
    Â»Vier? Abdel, Bruder, glaubst du, ich bin bescheuert? Die Jacke ist mindestens dreißig Schachteln wert.«
    Â»Ich biete dir sechs, das ist mein letztes Wort.«
    Â»Sechs Schachteln … damit komm ich höchstens drei Tage aus.«
    Â»Mein letztes Wort.«
    Â»Okay, ich bin dabei …«
    Die Übergabe kann nicht während des Hofgangs erfolgen: Das ist gegen die Vorschriften. Sie wird im Lauf des Tages stattfinden, mit Hilfe der guten alten Yo-Yo-Methode, die von den Aufpassern stillschweigend geduldet wird. Sogar die andern Häftlinge spielen mit: Erstens, weil das für ein bisschen Ablenkung sorgt, zweitens, weil jeder früher oder später selbst auf diese Methode zurückgreifen will, und drittens, weil alle Spielverderber aus unserer kleinen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Ich binde die Schachteln mit einem Tuch zusammen, verknote das Ganze mit einem Laken, werfe das Laken aus dem Fenster und lasse es hin- und herpendeln. Sobald genug Schwung in die Sache gekommen ist, kann mein Zellennachbar das Paket auffangen. Er reicht es seinerseits an den Typ neben ihm weiter, und so geht das in einem fort, bis die Sendung beim Empfänger ankommt. Der verknotet dann die Jeansjacke mit dem Laken und schickt sie mir auf dem selben Weg zurück. Manchmal reißt der Stoff, oder ein ungeschickter Häftling lässt das Laken fallen. Dann landet es unten im Stacheldrahtverhau und ist für immer verloren … Um das so gut es geht zu vermeiden, sucht man sich Handelspartner, die nicht allzu weit weg »residieren«.
    Nach dem Hofgang gibt’s Mittagessen. Anschließend Siesta. Morgen ist Besuchstag. Meine Eltern nehmen ihn einmal im Monat wahr. Wir haben uns nichts zu sagen.
    Â»Geht’s, mein Sohn? Kommst du klar?«
    Â»Logisch!«
    Â»Und die anderen in deiner Zelle, lassen sie dich in Ruhe?«
    Â»Ich hab ein Einzelzimmer. Für alle die beste Lösung … Keine Sorge, mir geht’s super!«
    Wir haben uns nichts zu sagen, aber ich schenke ihnen reinen Wein ein: In Fleury-Mérogis schieb ich eine ruhige Kugel. Man ist hier unter sich. Wir alle haben gebettelt, gestohlen, ein bisschen draufgehauen, gedealt, sind weggelaufen, gestolpert und haben uns schnappen lassen. Nicht weiter schlimm. Die echten Kriminellen sitzen in Fresne ein. Ein Typ namens Barthélemy behauptet, an der Place Vendôme Diamanten gestohlen zu haben. Wir lachen uns alle schlapp: Tatsächlich sitzt er im Knast, weil er einem Anzugträger in La Défense den Mittagssnack aus der Hand gerissen hat, Würstchen mit Pommes. Verurteilt wurde er wegen »immateriellen Schadens«, herrlich!
    Nachmittags dreh ich zu jeder vollen Stunde die Lautstärke auf, um die Kurznachrichten zu hören. So erfahre ich, dass Polizisten der Sondereinheit RAID in Ris-Orangis von einem Geistesgestörten in die Falle gelockt wurden. Im Glauben, ihre Kollegen hätten schon die Tür der Wohnung gesprengt, in der sich der Kerl verschanzt hatte, stiegen mehrere bis an die Zähne bewaffnete Bullen durchs Fenster ein. Der Wahnsinnige erwartete sie. Als Sicherheitsbeamter war er ebenfalls bestens ausgerüstet. Er schoss als Erster. Zwei Bullen weniger im Stall. Ich freue mich nicht darüber, aber ich muss auch nicht weinen: Es ist mir schnuppe. Wir leben in einer verrückten Welt, die von Irren bevölkert wird, und ich bin noch lange nicht der gemeingefährlichste von ihnen. Ich dreh die Lautstärke runter, schalte den Fernseher wieder ein. Charles Ingalls sägt Holz, seine Söhne rennen über die Wiese, Caroline kümmert sich im Häuschen ums Kaminfeuer. Ich dämmere weg …
    Ich

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