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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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vor mir leidet und lebt nur noch in seiner eigenen Welt. Einer Welt, die es so nicht mehr gibt und die bloß aus Erinnerungen besteht. Ich kann mich aufführen wie der Teufel, kann La Cucaracha tanzen, mit meinen Faxen Laurence zum Kreischen bringen, er ignoriert es nicht mal. Was tu ich hier eigentlich? Er könnte mich fragen, warum ich noch hier bin, ich frage mich ja selbst schon …
    Ich würde ihm irgendeinen Quatsch erzählen.
    Ich würde ihm antworten: Ich bleibe wegen des bequemen Louis-Philippe-Sofas in Ihrem Zimmer, das ich seit Béatrices Tod nicht mehr verlasse. Das Apartment im Dachgeschoss habe ich an eine Freundin untervermietet. Niemand hier im Haus weiß davon. Aber ich bin anständig, und außerdem mag ich das Mädchen wirklich, deswegen verlange ich nicht viel Miete von ihr. Einen Tausender im Monat. Damit bewegen wir uns noch weit unter dem Marktpreis.
    Ich würde ihm antworten: Ich bleibe wegen dem Jaguar. Und ich fände es gut, wenn Sie sich ein ganz kleines bisschen aufrappeln würden, damit ich Sie nachts wieder allein lassen und meine Spritztouren unternehmen kann. Diese Karre wirkt nämlich wie ein Magnet auf Frauen. Na ja, auf manche … Mir ist schon klar: Meine Béatrice wird nicht unter denen sein, die einsteigen. Die interessieren sich nur für die Kohle. Man kennt sich nicht, man wird sich nicht kennenlernen. Ich kläre sie auf, wenn die Sache erledigt ist, ich bin ein Mistkerl und auch noch stolz darauf.
    Â»Die Karre gehört meinem Boss. Ich kann dich an der nächsten Metrostation absetzen, wenn du willst …«
    Ich würde ihm antworten: Ich bleibe, weil ich es mag, im Nobelrestaurant ein paar Häppchen zu kosten und danach genüsslich eine Gyros-Tasche zu verputzen.
    Ich würde ihm antworten: Ich bleibe, weil ich noch nie La Traviata gesehen habe, ganz im Ernst, und darauf baue, dass Sie mich mal in die Oper mitnehmen werden (er hat mir einmal Ausschnitte daraus vorgespielt und die Geschichte erklärt, ich bin fast krepiert vor Langeweile …)
    Ich würde ihm antworten: Ich bleibe, weil ich meinen Spaß will, weil ich lebendig bin und weil das Leben dafür da ist, sich zu amüsieren. Und das ist nun mal einfacher, wenn man ein bisschen Geld zur Verfügung hat. Und da er zufällig welches hat und selbst auch am Leben ist, passt das ganz gut zusammen!
    Ich würde ihm antworten: Ich bleibe wegen der Kohle. Das glauben übrigens auch fast alle meine Kumpels, und nicht alle behalten ihre Meinung für sich. Ich kläre Leute, die allzu selbstsicher sind, nicht gern über ihre Irrtümer auf. Wenn sie vor lauter Gewissheit erstarren, kann das sehr lustig aussehen.
    Er würde weiterbohren:
    Â»Warum bleibst du, Abdel?«
    Ich würde ihm nicht sagen, dass ich seinetwegen bleibe, weil wir schließlich Menschen und keine Tiere sind.
    Ich habe ihm den Cerruti-Anzug angezogen, den perlgrauen, ein blaues Hemd, goldene Manschettenknöpfe und eine blutrot gestreifte Krawatte. Dazu ein Tropfen Eau Sauvage , seit dreißig Jahren sein Eau de Toilette, das auch schon sein Vater benutzt hat. Ich habe seine Haare gekämmt und den Schnurrbart geglättet.
    Â»Wohin führst du mich, Abdel?«
    Â»Austern schlürfen? Was halten Sie davon, ein paar Austern zu schlürfen? Ich hab auf einmal solche Lust auf Austern …«
    Ich lecke mir die Lippen, ich streiche mir über den Bauch. Er lächelt. Er weiß, dass ich Austern nicht ausstehen kann, schon gar nicht im Sommer, wenn sie ganz milchig sind. Er aber, mit einem Tröpfchen Zitrone oder einem Hauch Schalottensauce: mmh … Auf geht’s in die Normandie.
    Â»Legen wir eine CD ein? Was möchten Sie hören, Monsieur Pozzo?«
    Â»Gustav Mahler.«
    Ich lege zwei Finger unter die Nase, mache einen auf Nazi und schimpfe ganz zackig.
    Â»Gustaf Mahlör? Ach nein , Monsieur Pozzo! Schluss mit dem Malheur. Es reicht!«
    Er deutet ein Lächeln an. Das ist doch schon was …

    Der Jaguar ist ein herrliches, aber ein gefährliches Auto. Man spürt die Geschwindigkeit nicht. Er gleitet, man hebt ab, man merkt überhaupt nichts. Auf dem Weg zum Krankenhaus Raymond-Poincaré in Garches hab ich nicht bemerkt, dass es mir durchgebrannt ist wie ein Pferd im Galopp. Wir fühlten uns wunderbar, Monsieur Pozzo und ich, im Hintergrund spielte France Musique eine nette kleine Symphonie, ideal als

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