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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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Leben hatte ich seine Schwachstellen wettgemacht. In den Wochen vor und nach Béatrices Tod hatte ich ihn keinen Moment allein gelassen. Das Wort Arbeit hatte für mich nicht dieselbe Bedeutung wie für einen seriösen Typen, der fürchtet, seine Stelle zu verlieren und seine Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können. So was wie ein »sicherer Job« war kein Thema für mich, und ich war noch immer dreist genug, um einfach zu verschwinden, wenn ich Lust darauf hatte. Es gab keine festen Arbeitszeiten, ich hatte kein Privatleben mehr, ich sah nicht mal mehr meine Kumpels, und es war mir völlig egal. Ich bin geblieben, aber warum? Ich war weder ein Held noch eine barmherzige Nonne. Ich bin geblieben, weil wir schließlich keine Tiere sind …
    Es gab ein paar schwierige Momente, da liefen in meinem Kopf dieselben Gedanken ab wie im Gefängnis: Die Situation war anstrengend, ich konnte sie nicht beherrschen, aber ich wusste, dass sie irgendwann zu Ende sein würde. Ich brauchte nur zu warten. Als wir Wochen später am Hafen von Marseille vor dieser Fähre standen, auf der uns niemand erwartete, wurde mir klar, dass ich wieder frei war.
    Weil Monsieur Pozzo, der wieder einmal in eine absurde Situation geraten war, sich für das Leben entschieden hat.
    Da, angesichts dieses Mannes, der so gutmütig war zu lachen, habe ich begriffen, dass uns etwas anderes verband als die Arbeit. Das hatte nichts zu tun mit einem Vertrag, auch nicht mit einer moralischen Verpflichtung. Vor meinen Kumpels und sogar vor meinen Eltern vertuschte ich die Wahrheit, die ich mir noch nicht mal selbst eingestand: Ich sagte ihnen, dass ich bei meinem Chef blieb, um von seiner Großzügigkeit zu profitieren, um mit ihm zu reisen, um zwischen diesen bequemen, edlen Möbeln zu leben und im Sportwagen herumzugondeln. Da war bestimmt was dran, aber ziemlich wenig. Ich glaube, dass ich diesen Mann ganz einfach liebgewonnen habe und dass er diese Zuneigung erwidert.
    Aber lieber bei einem Gleitschirmabsturz umkommen, als das zugeben.

31
    Ich begleite Monsieur Pozzo überallhin. Wirklich überall. Jetzt, wo er den Tod seiner Frau – ein kleines bisschen – überwunden hat, schlagen wir uns wieder ohne Krankenschwestern und Hilfspfleger durch. Ich habe gelernt zu tun, was zu tun ist, die wundgelegenen Stellen zu pflegen, abgestorbene Hautschichten abzuschneiden, die Sonde zu legen. Es ekelt mich nicht. Wir sind alle gleich gebaut. Ich habe nur lange gebraucht, um den Schmerz zu verstehen. Ich habe mir nie den Spaß erlaubt, heißes Teewasser über seine Beine zu gießen wie meine Figur im Film Ziemlich beste Freunde : Monsieur Pozzo spürt nichts, okay, das habe ich begriffen. Aber warum schreit er dann so? Es schmerzt ihn, was in seinem Körper nicht richtig funktioniert. Das hat mit den Nervenendigungen zu tun, heißt es. Die einzige Verbindung, die noch besteht zwischen diesem Geist und seiner Hülle, ist also der Schmerz, nicht die Lust. Was für ein Glückspilz …
    Wir kamen schließlich in Korsika an. Ich hatte erwartet, in einer der Bonzenhütten unterzukommen, von denen es in der Gegend nur so wimmelt, einem antiken Klotz mit Überlauf-Swimmingpool, und finde mich in einem verfallenen Schloss in den Bergen um Alata, einem Dorf in der Nähe von Ajaccio wieder. Seine Geschichte fasziniert mich: Das Schloss wurde aus den Resten eines Palastes erbaut, der früher in den Tuilerien stand und 1871 von den Kommunarden – wenn ich das richtig verstanden habe, eine neue Generation Revolutionäre – in Brand gesteckt wurde. Etwa zehn Jahre später sollte er vollständig abgerissen werden – und da hat ein Urgroßvater von Monsieur Pozzo die Steine gekauft, sie nach Korsika bringen und das Gebäude originalgetreu wiederaufbauen lassen! Ich kann mir die Baustelle lebhaft vorstellen, das heißt nein, ich kann sie mir überhaupt nicht vorstellen. Wenn ich sehe, wie es dort heute zugeht … Gerade renovieren sie das Dach. Sieht aus, als hätten die wenigen Männer für mindestens zehn Jahre keine Beschäftigungsprobleme mehr.
    Wir wohnen in einem Turm ganz in der Nähe, man gelangt über eine Hängebrücke zu ihm, wie ihm tiefsten Mittelalter. Ich scherze mit Monsieur Pozzo, nenne ihn Godefroy de Montmirail. Er hat Die Besucher nicht gesehen; ich glaube, er steht nicht besonders auf diese typisch französischen

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