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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
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nichts auf dem Schiff …«
    Es stimmt, die gelbweiße Fähre sieht ziemlich verlassen aus. Kein Mensch auf dem Kai, abgesehen von uns, und die Laderampe für die Autos ist auch nicht runtergelassen … Ich renne zum Büro des Fährbetreibers, um die Sache zu klären. Dann kehre ich zu meiner Crew zurück, die sich im Schatten eines leeren Lagerschuppens niedergelassen hat. Dort ist es genauso menschenleer.
    Â»Ihr werdet lachen, aber das Büro ist geschlossen.«
    Â»Wirklich? Und es ist nirgendwo etwas angeschlagen?«
    Â»Doch, doch, da steht, dass die Reederei auf unbestimmte Zeit bestreikt wird.«
    Allen bleibt ein paar Sekunden der Mund offen stehen. Bis Victor mit seinem dünnen Stimmchen die Sache auf den Punkt bringt:
    Â»Das geht nicht an!«
    Ich rief im Reisebüro an, das uns die Fährtickets verkauft hatte. Man schlug uns vor, nach Toulon zu fahren, wo die nächste Fähre nach Korsika bereitstand. Toulon, siebzig Kilometer von hier … Ich versuchte, ein Taxi zu rufen. Nichts zu machen. Also zog ich zu Fuß los, allein, bis zum Bahnhof von Marseille, wo ich nicht ein, sondern gleich zwei Taxis auftreiben musste. Aber die Zugreisenden waren genauso am Verzweifeln. Es gab kein einziges Taxi. Ich versuchte es weiter im Stadtzentrum, wo ich mich ins Gassengewirr, ein Ableger der Kasbah in Algier, stürzte. Auf Arabisch sprach ich die Alten an, die auf den Türschwellen ihren Tabak kauten, und fand schließlich einen, der gegen ein kleines Scheinchen bereit war, mir zu helfen.
    Das Gesicht der anderen, als wir am Hafen ankamen … Unser Fahrer war der stolze Besitzer eines klapprigen Peugeot 307 Kombi, der so übel zugerichtet worden war, dass er diesen Sommer auf die Reise ins Morgenland verzichten musste. Das will was heißen …
    Â»Abdel, wir steigen doch da nicht etwa ein?«
    Â»Oh doch, meine liebe Laetitia! Es sei denn, du möchtest hierbleiben?«
    Â»Nein, aber du bist echt krank! Ich steige da nicht ein, vergiss es!«
    Diese verwöhnte Zicke, spießig bis unter die – natürlich manikürten, mit fünfzehn! – Fingerspitzen, kriegt einen hysterischen Anfall. Ihr Vater fragt ungläubig:
    Â»Jetzt mal die Frage der Bequemlichkeit beiseite, wie sollen wir zu acht in einen solchen Wagen passen?«
    Â»Zu neunt, Monsieur Pozzo, zu neunt! Sie haben den Fahrer vergessen …«
    Wir haben’s tatsächlich geschafft. Und sogar Laetitia hat überlebt.

30
    In den Filmen ernten solche Szenen immer großes Gelächter. Das heißt … die Zuschauer lachen, die Figuren eher nicht. Wenn alles in die Hose geht, werden gerne alte Rechnungen beglichen und die üblichen kleinen Gemeinheiten ausgepackt. Dann zeigt der eine oder andere gern sein wahres Gesicht. Sie hätten alle über mich herfallen, mir als Fahrer die Schuld für die Panne geben und mich mit Vorwürfen überhäufen können: weil ich die beiden Taxis zu früh weggeschickt und nicht genug Wasser eingepackt hatte, und überhaupt, weil ich auf die Idee mit diesen Ferien gekommen war! Keiner von ihnen hat auch nur ein böses Wort gesagt. Genauso wie im Viehtransporter, wo alle die Hitze ertragen haben, ohne zu meckern, haben sie einfach beschlossen, über die Situation zu lachen. Ihrem Vater, Bruder oder Onkel zuliebe, der sich nicht beklagte. Monsieur Pozzo zuliebe, der als Erster über unsere Pechsträhne lachen konnte. Die Strecke Paris-Marseille hatte ihn ermüdet, viel mehr als uns. Er war mitgenommen vom Rütteln und Lärm im Viehtransporter und von unserm Gequatsche, eine große Erschöpfung überfiel ihn, was Gift war für seine bereits angegriffene Gesundheit. Aber nein, er beschwerte sich nicht. Er schaute uns an, einen nach dem andern, als würde ihm gerade von neuem klarwerden, wie schön es war, mit uns zusammen zu sein. Ganz richtig, damit meine ich nicht nur seine Familie, sondern uns alle.
    Ich war durch Zufall knapp ein Jahr zuvor zu ihm gekommen und bin geblieben, fast ohne es entschieden zu haben. Ich hatte mich allen Erwartungen zum Trotz zu einem echten Intensivpfleger entwickelt: Ich hatte seine Zeitung umgeblättert, die CD s eingelegt, die er hören wollte, ihn in sein Lieblingscafé geführt, den Zucker umgerührt und die Tasse an seine Lippen gehoben. Durch meinen Körper, durch das, was ich geben konnte, durch meine Kraft und meine Freude am

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