Einfach Freunde
Rücken und ihre hasserfüllten Blicke auf mir. Nach der Ãberprüfung lieÃen sie mich los und schmissen mir die Wagenpapiere ins Gesicht.
Am nächsten Morgen lachte Monsieur Pozzo über mein kleines Abenteuer.
»Na, Ayrton-Abdel, ich wurde heute Nacht von der Polizei geweckt! Sie waren doch wenigstens freundlich zu dir?«
»Die reinsten Engel!«
Ich habe den Jaguar schrottreif gefahren. Ich hab ja gesagt, dieses Auto ist gefährlich: Man spürt die Geschwindigkeit nicht. In einer Kurve bei der Porte dâOrléans merkte ich, dass ich zu schnell war, um sie zu kriegen. Ich verbrachte die Nacht in der Notaufnahme, und der Jaguar ging direkt auf den Schrottplatz. Ich bin ziemlich kleinlaut nach Hause gekommen.
»Na, Ayrton-Abdel, ich wurde heute Nacht schon wieder von der Polizei geweckt â¦Â«
Ich streckte Monsieur Pozzo die Schlüssel entgegen.
»Es tut mir leid, mehr ist nicht übrig.«
»Aber dir geht es gut?«
Ein wahrer Engel.
Wieder einmal begleite ich Monsieur Pozzo zu einer Auktion von Automobilen der gehobenen Preisklasse: Der Jaguar, den ich zertrümmert habe, muss schlieÃlich ersetzt werden. Wir haben beschlossen, uns einen marineblauen Rolls-Royce Silver Spirit zu leisten, ungemein schick, zweihundertvierundfünfzig PS , innen mit beigefarbenem Leder und einem Armaturenbrett aus Edelholz. Macht man den Motor an, steigt wie durch Zauberhand die Kühlerfigur empor. Eine geflügelte Meerjungfrau. Zu Beginn der Versteigerung hebe ich selbst die Hand. Dann versteht der Auktionator und überwacht Monsieur Pozzos Kopfzeichen. Es dauert zwei Tage, bis wir die Formalitäten durchhaben. Ich lasse mich von einem Kumpel an der Porte de La Chapelle absetzen und kehre allein am Steuer dieses Schmuckstücks in die Avenue Léopold II zurück.
Wir brechen sofort zu einer Spritztour auf, rasen über die UferstraÃen der Seine, bis zu den Portes de la Normandie, und sind begeistert von der Stille, die im Wagen herrscht, egal, wie schnell man fährt.
»Na, Abdel, ist das nicht schön?«
»Oh, ist das schön, etwas Schöneres gibt es nicht.«
»Du wirst doch gut auf ihn achtgeben, nicht wahr?«
»Logisch!«
Abends in Beaugrenelle fragen sich meine Kumpels, ob mein Chef noch ganz bei Trost ist.
»Der ist wahnsinnig, dir dieses Teil zu überlassen!«
Ich lade sie zu einer Probefahrt ein, einen nach dem andern, eine Runde nach der andern wie auf dem Rummelplatz. Mein Vater bewundert die Karosserie, meine Mutter weigert sich einzusteigen.
»Solche Dinge sind nichts für unsereiner!«
Ich antworte ihr, dass ich nicht weiÃ, was das sein soll: unsereiner. Und warum das nichts für mich, Abdel YaÂmine Sellou, sein soll. Sie findet das lustig.
»Das stimmt, Abdel, aber du bist eben nicht wie unsereiner!«
Sie hat recht. Ich denke nur an mich, ich profitiere von den andern, spiele mich auf, nutze die Frauen aus, jage den SpieÃern Angst ein, verachte meinen Bruder, aber mein Leben mit Pozzo gefällt mir. Ich spiele mit Philippe Pozzo di Borgo wie ein Kind mit seinen Eltern: Ich sammle Erfahrungen, überspanne den Bogen, teste die Grenzen aus, finde sie nicht, mache weiter. Ich bin dermaÃen von mir überzeugt, dass mir gar nicht auffällt, dass er dabei ist, mich zu verändern, ganz unmerklich.
33
Céline hat uns verlassen. Sie möchte Kinder haben, sie will nicht ihr Leben lang Köchin spielen für zwei Teenager, die sowieso immer nörgeln, einen Tetraplegiker, der ständig auf Diät gesetzt, und einen Typen, der süchtig nach Gyros-Taschen ist.
Adieu, Céline. Ich stell mich ein paar Tage lang an den Herd. Alles geht gut. AuÃer dass drei Putzfrauen hintereinander kündigen, weil sie es satthaben, morgens, mittags und abends hinter mir herzuräumen ⦠Dann nehmen wir Jerry auf, einen Philippiner, den uns die Arbeitsvermittlung schickt. Wir hätten ihm den Zugang zur Waschmaschine verbieten sollen. Er hat sämtliche Anzüge des Chefs bei vierzig Grad durchgejagt. Das Resultat sieht nicht gerade hübsch aus. In einem Dior-Anzug, dem letzten, der ihm geblieben ist, betrachtet Monsieur Pozzo gefasst die Ãberreste seiner Garderobe, die der junge Mann in den Schrank zurückgehängt hat, als wäre nichts geschehen.
»Abdel, da ist doch dieser Giacometti-Abguss im Wohnzimmer, du weiÃt schon, der groÃe Stängel neben dem
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