Einfach göttlich
jemanden, der sich um sie kümmert.
Die entsprechenden Personen leben… Nun, sie leben eigentlich dort, wohin man sie gesandt hat, aber ihre geistige Heimat befindet sich in einem verborgenen Tal hoch oben in den Spitzhornbergen der Scheibenwelt, wo die Geschichtsbücher lagern.
Es handelt sich nicht etwa um Bücher, in denen Ereignisse auf die gleiche Weise festgesteckt sind wie Schmetterlinge am Kork. Die Geschichte stammt vielmehr aus diesen Büchern. Insgesamt sind es mehr als zwanzigtausend. Jedes von ihnen ist drei Meter hoch, in Leder gebunden und mit so winzigen Buchstaben gefüllt, die man nur mit einer Lupe entziffern kann.
Wenn jemand sagt: »Es steht geschrieben…«, steht es dort geschrieben.
Es gibt weniger richtige Metaphern, als die meisten Leute glauben.
Einmal im Monat suchen der Abt und zwei alte Mönche jene Höhle auf, in der die Bücher ruhen. Früher machte sich der Abt allein auf den Weg, aber diese Tradition endete, als man feststellte, daß der 59. Abt eine Million Ankh-Morpork-Dollar mit kleinen Wetten gewonnen hatte. Seitdem schickt man zwei zuverlässige Mönche zum Gewölbe mit.
Ganz abgesehen davon: Wer die Höhle allein betritt, setzt sich erheblichen Gefahren aus. Die hohe Konzentration an lautlos in die Welt strömender Geschichte kann überwältigend wirken. Zeit ist eine Droge: Zuviel davon bringt einen um.
Der 493. Abt rieb sich die faltigen Hände und sah Lu-Tze an, einen der ältesten Mönche. Alle Mönche waren alt, dafür sorgten das friedliche Leben im abgelegenen Tal und die frische, saubere Luft. Hinzu kam: Wenn man jeden Tag mit der Zeit zu tun hatte, färbte irgendwann etwas davon ab.
»Der Ort heißt Omnien«, sagte der Abt. »An der klatschianischen Küste.«
»Ich erinnere mich«, erwiderte Lu-Tze. »Da gab’s einen jungen Burschen namens Ossory, nicht wahr?«
»Die Dinge müssen… aufmerksam beobachtet werden«, meinte der Abt. »Es gibt Spannungen. Freier Wille, Vorherbestimmung… die Macht der Symbole… Wendepunkte und dergleichen… Du kennst das ja.«
»Bin schon seit etwa siebenhundert Jahren nicht mehr in Omnien gewesen«, sagte Lu-Tze. »Ziemlich trockener Ort. Und im ganzen Land gibt’s nicht eine einzige Ecke fruchtbaren Bodens, wenn ich mich recht entsinne.«
»Du solltest sofort aufbrechen«, schlug der Abt vor.
»Ich nehme die Berge mit«, entgegnete Lu-Tze. »Das Klima wird ihnen guttun.«
Besen und Schlafmatte vervollständigten das Gepäck. Geschichtsmönche legen keinen großen Wert auf persönlichen Besitz. Die meisten Dinge verschleißen nach hundert oder zweihundert Jahren, haben sie herausgefunden.
Lu-Tze brauchte vier Jahre, um Omnien zu erreichen. Unterwegs beobachtete er zwei wichtige Schlachten und einen historischen Mord – hätte er sie nicht beobachtet, wären es höchstens Randepisoden geworden.
M an schrieb das Jahr der Symbolischen Schlange. Mit anderen Worten: Seit der Erklärung des Propheten Abbys waren zweihundert Jahre vergangen.
Somit stand die Zeit des 8. Propheten unmittelbar bevor.
Darauf durfte man sich bei der Kirche des Großen Gottes Om verlassen: Ihre Propheten zeichneten sich durch ein hohes Maß an Pünktlichkeit aus. Man konnte nach ihnen einen Kalender ausrichten – wenn der Kalender groß genug war.
Wenn die Ankunft bevorstand, so verdoppelte die Kirche normalerweise ihre Bemühungen, heilig zu sein. Das war auch diesmal der Fall. Dabei herrschte ähnlich hektische Betriebsamkeit wie in einem großen Konzern bei der Buchprüfung. In diesem besonderen Fall ging es jedoch nicht um Zahlen, sondern darum, weniger heilige Leute mit sehr phantasievollen Methoden ins Jenseits zu befördern. Solche Aktivitäten gelten bei allen populären Religionen als zuverlässiges Barometer für das Ausmaß der Frömmigkeit. Bei derartigen Gelegenheiten verlangen die Priester nach mehr Reinheit als eine gegen Schmutz allergische Waschfrau. Sie betonen, man müsse die Ketzerei mit Stumpf und Stiel ausrotten, außerdem auch mit Armen, Beinen, Augen und Zungen. Sie versäumen nicht darauf hinzuweisen, daß es reinen Tisch zu machen gilt. Wobei das Blut als besonders geeignetes Mittel gilt.
U nd es begab sich aber, daß zu jener Zeit der Große Gott Om zum auserwählten Brutha sprach:
»Psst!«
Brutha erstarrte mit der Hacke in beiden Händen und sah sich im Tempelgarten um.
»Wie bitte?« fragte er.
Es war ein klarer, heiterer Frühlingstag. Die Gebetsmühlen drehten sich fröhlich im leichten Wind, der
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