Einfach. Liebe.
Landon,
ich schicke Ihnen im Anhang eine Gliederung für meine Hausarbeit. Wenn Sie Zeit haben, könnten Sie vielleicht überprüfen, ob sie nicht zu weit oder zu eng gefasst ist? Ich bin mir nicht sicher, wie viele Volkswirtschaften ich außerhalb der USA mit einbeziehen soll. Außerdem ist die J-Kurve ein bisschen verwirrend. Soweit ich verstanden habe, können wir sie erst im Nachhinein sehen, aber beruht die Wirtschaftswissenschaft nicht auf Vorhersagen, wie das Wetter? Ich meine, wen kümmert es denn, wenn wir erst im Nachhinein sehen können, was passiert ist – wenn der Wettermann nicht vorhersagen kann, was morgen passieren wird, dann wird er doch sicher gefeuert, oder?
Außerdem habe ich die Arbeitsblätter gemacht. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen so viele auf einmal schicke, und das auch noch an einem Montag. Ich hätte sie Ihnen längst schicken sollen, aber ich war am Samstag mit ein paar Freundinnen aus und war noch nicht fertig damit.
JW
Hallo Jacqueline,
kein Problem. Ich bin praktisch zu jeder wachen Stunde entweder beim Arbeiten, Lernen oder in einem Seminar. Ich bekomme kaum mit, welchen Tag wir haben. Ich hoffe, Sie haben Ihren Ausgehabend genossen.
Ich weiß, ich habe anfangs gesagt, ich müsste keine Einzelheiten über Ihre Trennung erfahren (falls das unhöflich war, habe ich es nicht so gemeint); es muss schlimm gewesen sein, wenn Sie deswegen zwei Wochen den Kurs verpasst haben. Ich kann sehen, dass Schwänzen untypisch für Sie ist.
Ich habe Ihnen einen Artikel aus dem Wall Street Journal angehängt, der die J-Kurve besser erklärt als der Text. Sie haben völlig recht – ohne die Fähigkeit, Vorhersagen zu treffen, ist die Wirtschaftswissenschaft keine Wirtschaftswissenschaft, sondern Geschichte. Und auch wenn die Geschichte ihren festen Platz in den vorhersagbaren Wahrscheinlichkeiten sowohl der Wirtschaftswissenschaft als auch der Meteorologie hat (gute Analogie im Übrigen), nützt sie kaum etwas, wenn man wissen will, ob man in eine ausländische Währung investieren oder seinen Regenschirm mit zur Uni nehmen soll.
LM
Ich starrte auf die E-Mail, während ich vergeblich versuchte, Landon mit Lucas zu vergleichen. Sie schienen so verschieden wie Tag und Nacht, aber ich kannte von beiden nur eine Hälfte. Ich wusste nicht viel über Lucas, abgesehen von seinem auffallend guten Aussehen und seiner Fähigkeit, jemanden grün und blau zu prügeln. Während des Kunstgeschichteseminars hatte ich mich unwillkürlich gefragt, wie die Begegnung mit Buck vorhin abgelaufen wäre, wenn Lucas bei mir gewesen wäre. Ich fragte mich, ob Buck es gewagt hätte, mich so anzusehen. Zu sagen, was er gesagt hatte: Gut siehst du aus . Bei dem Gedanken an Bucks kalte Augen, die mich musterten, drehte sich mir noch immer der Magen um.
Obwohl ich mir oberflächlich dabei vorkam, begann ich wieder darüber nachzugrübeln, wie Landon wohl aussah und wie sehr das meine Einstellung zu ihm beeinflussen könnte. Bei seinen Komplimenten auf meinem Laptop musste ich unwillkürlich lächeln. Er hatte gesagt, mein Ex sei ein Schwachkopf, und jetzt schien er sich für unsere Trennung zu interessieren. Für mich. Entweder das, oder ich interpretierte zu viel hinein.
Hallo Landon,
wir waren fast drei Jahre zusammen. Es kam ganz unerwartet. Ich bin ihm hierher an die Uni gefolgt, anstatt mich auf eine Hochschule der darstellenden Künste zu bewerben. Mein Orchesterlehrer hat fast einen Herzinfarkt bekommen, als ich es ihm gesagt habe. Er hat mich angefleht, mich für Oberlin oder Julliard zu bewerben, aber das habe ich nicht getan. Ich kann niemandem die Schuld geben außer mir. Ich habe meine Zukunft in die Hände meines Highschoolfreundes gelegt wie eine Idiotin. Und jetzt stecke ich irgendwo fest, wo ich nicht sein sollte. Ich weiß nicht, ob ich einfach zu sehr an ihn geglaubt habe oder zu wenig an mich selbst. Wie auch immer, ganz schön bescheuert, was? Das ist jedenfalls meine rührselige kleine Geschichte.
Danke für den Artikel.
JW
Hallo Jacqueline,
gar nicht bescheuert. Allzu vertrauensselig vielleicht, aber das sagt nur etwas über seinen Mangel an Vertrauenswürdigkeit aus, nichts über Ihre Intelligenz. Und was den Punkt betrifft, dass Sie irgendwo sind, wo Sie nicht sein sollten – vielleicht sind Sie ja aus einem bestimmten Grund hier, oder es gibt gar keinen Grund. Als Wissenschaftler neige ich zu Letzterem. Wie auch immer, es ist, wie es ist. Sie haben eine Entscheidung getroffen – jetzt
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