Einfach losfahren
auch.«
»Wie läuft es mit Marta?«
»Wir sind nicht mehr zusammen.«
»Das tut mir leid. Mann, ihr wart doch das perfekte Paar.«
»Nicht mehr: Sie war die perfekte Frau für den Pietro, der bei der Stadt arbeitete, aber der bin ich nicht mehr.«
»Wie meinst du das?«
»Als ich mit Marta zusammen war, herrschte zwischen uns ein perfektes Gleichgewicht. Ich brauchte sie, und sie brauchte mich. Aber als ich den Beruf wechselte, war es aus mit dem Gleichgewicht.«
»War sie nicht einverstanden?«
»Ehrlich gesagt, mein Leben war traurig, als ich noch bei der Stadt war. Nichts hat mich begeistert. Ich hatte nichts, was mir erlaubt hätte, mich einzubringen, mich auszudrücken. Und nicht nur das: Ich musste mich regelrecht unterdrücken. Es kam überhaupt nicht drauf an, ob da ich oder ein anderer saß. Ich war eine Nummer. Wenn ich abends nach Hause kam, zurück in mein Leben, wünschte ich mir, auserwählt zu sein. Ich wollte keine Nummer mehr sein. Ich wollte ich sein, Pietro, ein Mensch, der einem anderen etwas bedeutet. Ich wollte jemanden, der mich begehrte, jemanden, der litt, wenn ich nicht da war. Nicht wie auf der Arbeit, wo ich nur ein Schräubchen im Getriebe war. Marta war meine Insel der Glückseligkeit. Nur bei ihr traute ich mich, Gefühle rauszulassen. Und sie war mit mir zusammen, weil sie sich gebraucht und wichtig fühlen wollte. Sie wollte das Glück sein. Mein Glück. Sie existierte nur für meine Bedürfnisse. Und als wir uns trennten, hat sie mir denn auch all die Dinge vorgehalten, die sie für mich getan habe, und mir vorgeworfen, ich sei ein Egoist, der nur an sich selbst denken könne.
Dabei unterstützte Marta mich, ohne es zu wissen und ohne es zu merken, fast nie in den Dingen, die ich gern tat. Nie hieß sie meine Träume gut. Wenn ich ihr von meinem Wunsch erzählte, bei der Stadt alles hinzuschmeißen und etwas mit Hunden zu machen, schürte sie nur meine Ängste. In dem Augenblick, als ich anfing, mich auch außerhalb unserer Beziehung zu engagieren, als ich begann, nicht nur von ihrer Brust Glück zu empfangen, ist etwas kaputtgegangen, und kurz darauf haben wir uns dann getrennt. Wir verzahnten uns nicht mehr ineinander wie früher, weil es da plötzlich noch etwas gab. Etwas, was zu viel war.
Marta redet nicht mehr mit mir und wirft mir vor, ich hätte sie betrogen. Nicht mit einer anderen Frau, sie meint etwas Intimeres. Vielleicht, indem ich die stillschweigende Übereinkunft gebrochen habe, die uns zusammenhielt. Als sie nicht mehr die Unersetzliche spielen durfte, war eine Verbindung zu mir nicht mehr möglich. Sie brauchte jemanden, der auf ihre Zuwendung angewiesen war. Man fühlt sich echt beschissen, wenn man sich von jemandem befreien will, der freundlich und immer für einen da ist. Aber ich stehe jetzt auf eigenen Füßen. Und das ist gut so – so leid mir’s für Marta tut. Es hat eine Weile gedauert, aber schließlich habe ich es begriffen. Besser spät als nie… Komm doch mal vorbei, dann trinken wir ein Bier. Die Hundeschule liegt gleich vor der Stadt, mit dem Auto keine zwanzig Minuten.«
Während er erzählte, dachte ich an meinen letzten Abend mit Federico in Livorno. Die gleichen Ideen wie damals beim Abendessen. Ich fragte mich, ob es ein Zufall war, dass ich plötzlich lauter Leute traf, die genau das sagten und taten, womit ich mich gedanklich gerade beschäftigte. Oder hatte ich sie schon früher getroffen und nur nicht darauf geachtet, weil ich nicht die nötigen Antennen dafür besaß? War es das, was man »Resonanz« nennt?
Ich weiß auch nicht, aber alles deutete in diesen Tagen in die gleiche Richtung.
Die Suche nach mir selbst
Die Tage gingen vorüber wie lahme Dinosaurier und hinterließen ihre breiten Spuren. Die Welt existierte weiter, auch ohne Federico. Ich interessierte mich für nichts mehr. Ich war wie betäubt, lebte wie in einer Glaskugel. Aber das ging im Grunde ja schon lange so, der Unterschied war, dass ich jetzt nicht mehr so tun konnte, als ob nichts wäre. Das Einzige, was mich nicht mehr gleichgültig ließ, war meine Gleichgültigkeit. Vielleicht reifte in mir ja gerade der Entschluss, dass auch ich herausfinden sollte, wer ich war, es wenigstens versuchen musste. Alles andere war zweitrangig. Auf einmal spürte ich den Panzer um mich herum, und ich musste endlich die Stelle finden, wo ich ihn knacken konnte. Ich wollte nicht sterben, bevor ich ganz geboren war. Das war ich Federico schuldig. Doch die Menschen, die
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