Einfach losfahren
werde.
Mein Geschenk hat ihn gefreut. Heute Morgen traf ich ihn in der Bar an der Ecke. Er hat sich nochmals bedankt, allerdings für etwas, was ich ihm gar nicht geschenkt habe. Er hat sich nicht an mich erinnert.
In der Zeit, in der ich weg war, hat die Bar an der Ecke den Besitzer gewechselt. Der neue hat Pay- TV installiert und zeigt jetzt Fußballspiele. Das ist fast, als wäre man im Stadion, denn auch in der Bar stimmen die Leute Sprechchöre an. Oft nervt es. Irgendwann konnte ich anhand der Flüche oder der Freudenschreie den Spielstand erraten. Aber immer noch besser als ein schwerhöriger Nachbar mit beschissenem Musikgeschmack. Francescas Nachbarin zum Beispiel hört die ganze Zeit Musik von Ricky Martin oder Shakira. Der müsste man auch mal was Kleines schenken wie zum Beispiel Kopfhörer!
Eines Tages fuhrwerkte ich durch die Wohnung und machte mal reine. Es gibt Tage, da werde ich zur emsigen Hausfrau. Ich putze, wasche, bügele und kümmere mich schließlich auch noch um mich selbst. Ich dusche, creme mich ein, putze mir zwei, drei Mal die Zähne und benutze danach noch die Zahnseide, ich schneide mir sorgfältig die Nägel, aber mit der Schere. An jenem Tag, an dem ich ganz Frau war, beschloss ich, hinterher einen Kaffee zu trinken. Während ich die Mokkakanne zudrehte, spürte ich plötzlich etwas Komisches, ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Die Kanne fiel mir aus der Hand. Ich war wie gelähmt. Ich spürte etwas hinter mir, als ob dort jemand stände.
Ich drehte mich um, und auf meinem Sofa saß Federico. Er lächelte mich an und sagte: »Ciao, wie geht’s?«
Ich brachte kein Wort heraus. Stand stumm und reglos da. Einen Augenblick lang ergoss sich ein eiskalter Wasserschwall über meine Seele, dann Feuer. Heiß.
»Äh, gut… aber… du bist gar nicht…«
»Sieht man, dass es dir gutgeht. Siehst du, ich hatte recht. Ich hab’s dir doch gesagt, aber du wolltest es nicht glauben…«
»Was?«
»Dass du viel mehr bist, als du warst… dass da etwas in dir war, das du hervorholen musstest…«
»Ich fühle mich vor allem anders… Und wie geht’s dir?«
»Prima.«
»Und wie ist es da so?«
»Ich darf nicht so viel verraten, sie sagen, es soll eine Überraschung bleiben. Du kannst es dir nicht vorstellen. Wenn ich es dir verriete, würdest du merken, dass es so einfach ist, dass man es nicht glauben mag, es käme dir total komisch vor, dass du nie daran gedacht hast. Hast du meine hübsche kleine Angelica gesehen, hab ich gut hingekriegt, was? Ich unterhalte mich oft mit ihr. Und wie geht’s Francesca?«
»Es geht ihr gut, wir sind nicht mehr zusammen, erinnerst du dich?«
»Natürlich erinnere ich mich, außerdem sehe ich euch oft. Ich bin froh, dass du Sophie kennengelernt hast.«
»Darf ich dich umarmen?«
»Nein, du darfst mich nicht berühren, du darfst auch nicht näher kommen… Ciao, Michele, danke für alles, was du für mich getan hast…«
»Eigentlich hast du doch eher etwas für mich getan, nicht ich für dich.«
»Hm, irgendwann wirst du es verstehen… Jetzt muss ich gehen. Sag meinem Vater und meiner Mutter, ich bin so froh, dass ich ihr Sohn gewesen bin.«
Ich hätte ihn gern noch vieles gefragt, wie er jetzt seine Zeit verbrachte, ob er ein Engel geworden sei oder schon immer war, ob er meiner Mutter begegnet sei oder Bob Marley, aber ich schaffte nur noch eine Frage: »Federico… Gibt es Gott?«
Er lächelte und sagte: »Und wie.«
Auch wenn sie mal nicht da ist
Francesca hatte sich verändert. Sie äußerte nicht mehr diese Phrasen, mit denen sie manchmal gekommen war und die eigentlich gar nichts mit ihr zu tun hatten. Jene Phrasen, die Frauen oft sagen und die nur Teil eines Chors sind. Manche hatte sie auch Federico gegenüber geäußert:
»Ich träume davon, eine Familie zu gründen.«
»Wenn ich schwanger bin, höre ich mit dem Rauchen auf.«
»Treue ist eine Frage des Respekts.«
»Ich bin anders als die anderen.«
»Anderen Leuten kann ich gut Ratschläge geben, aber nicht mir selbst.«
Francesca war aus diesem Stereotyp ausgebrochen, aus dieser Kategorie Frauen, denen nicht bewusst ist, dass der Weg, den sie beschreiten, in die Hysterie führt. Davor wenigstens hatte sie sich bewahrt. Sie war keine Hysterikerin.
Sie hatte begriffen, wie wichtig es ist, erst den eigenen Weg zu finden, unabhängig von den anderen. An sich selbst zu denken ist kein Egoismus. Egoismus ist höchstens, wenn man sich ausschließlich um die eigenen
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