Einfach losfahren
verhandelte mit dem alten Buchhändler.
Keinen Monat später arbeitete Francesca für einen Hungerlohn in der Buchhandlung. Im Gegenzug wollte Signor Valerio, so der Name des Buchhändlers, sie einarbeiten. An den Wochenenden jobbte Francesca oft in einer Disco hinter der Theke, um das magere Gehalt aufzubessern. Binnen kurzem veränderte sich das Äußere der Buchhandlung radikal. Francesca hatte sich mit Haut und Haaren in dieses Abenteuer gestürzt. Sie gestaltete das Schaufenster neu, brachte neue Lampen an: Eine magische Verwandlung ging vonstatten.
Heute ist die Buchhandlung eine andere. Sie ist so, wie Francesca sie sich erträumt hatte. Nach hinten geht sie auf einen Innenhof, wo Francesca Tische, Stühle und Bänke mit Kissen aufgestellt hat. Viele Leute setzen sich dort hin und lesen in den Büchern, die sie kaufen wollen. Dazu kann man einen Tee trinken.
Francesca hat noch mehr Projekte und Initiativen angeleiert, aber jetzt macht sie erst mal Pause.
Signor Valerio ist zum Freund der Familie geworden, fast ein Vater für sie, und ich muss ganz ehrlich sagen, seit Francesca bei ihm ist, strahlt auch er neue Frische aus. Wir freuen uns, weil wir eine wichtige Wahrheit entdeckt haben: Träume können wahr werden. Und ich werde nie aufhören, das in die Welt hinauszurufen.
Seitdem ist viel Neues passiert.
Seit Francesca in der Buchhandlung arbeitet, ist sie ein anderer Mensch. Sie hat sogar aufgehört zu rauchen. Die Zigaretten, sagt sie heute, hätten ihr dabei geholfen, ihr früheres Leben zu ertragen.
Meine Liebe für sie war so aufrichtig, rein und uneigennützig, dass sie mit der Zeit gar nicht anders konnte, als mich wiederzulieben. Unsere Beziehung basiert auf unserer Eigenständigkeit, und wir helfen uns gegenseitig dabei, immer freier zu werden. Wir helfen einander, unsere Pläne umzusetzen. Wir teilen unser Leben, indem wir dem anderen seine Freiheit lassen. Durch Francesca wird der Teil von mir, der neu in mir blüht, noch schöner. Auch wenn sie mal nicht da ist.
Sie meinte, Federico habe recht gehabt
In das Buch, das ich geschrieben habe, habe ich meine ganze Existenz gepackt. Anhand erfundener Figuren und Ereignisse habe ich versucht, die Empfindungen und Gefühle meines Lebens auszudrücken. Es ist ein ehrliches Buch geworden, voller Mängel und Vereinfachungen, die auf meinen bescheidenen Geist zurückzuführen sind (bescheiden nicht im Sinne einer Abwesenheit von Eitelkeit, sondern einer bescheidenen Qualität). Wer schreibt, steht vor der Schwierigkeit, Figuren so handeln zu lassen, dass klar wird, wer sie sind, ohne es explizit hinzuschreiben oder zu beschreiben. Zu meinen Schwächen gehört, dass ich einer Figur bei ihrem ersten Auftritt immer eine wertende Beschreibung anhefte, ihr immer ein Adjektiv verpasse; also dass der und der schön ist oder sympathisch oder intelligent. Dabei sollte man das eigentlich am Verhalten und an den Handlungen der betreffenden Figur merken. Das ist einer der Gründe, weshalb ich kein großer Schriftsteller bin, hinzu kommen natürlich die Form und die Beschränktheit des Vokabulars.
Ich hoffe, dass das Buch, an dem ich zurzeit arbeite, besser wird. Es ist die Geschichte eines Mannes, der in einem Krankenhaus erwacht, in das er wegen einer rätselhaften Krankheit eingeliefert wurde. Man diagnostiziert ein Stendhal-Syndrom. Von einem solchen spricht man normalerweise, wenn jemand vor einem Meisterwerk der Kunst steht und von dessen Schönheit derart überwältigt wird, dass er bewusstlos zu Boden sinkt. Mein Protagonist wird jedes Mal ohnmächtig, wenn er einem Menschen gegenübersteht. Er hat sich lange mit dem menschlichen Körper und seiner perfekten Funktionalität beschäftigt und hält nun den Anblick dieses Wunders nicht mehr aus, welches der Mensch ist. Deshalb studiere ich zurzeit Anatomie. Neulich habe ich etwas gelesen, das so unglaublich war, dass ich es mir von einem Arzt habe bestätigen lassen. In einem Lexikon stand, dass sämtliche Adern, Arterien, Venen und Verästelungen der Kapillargefäße eines einzigen Menschen, aneinandergelegt, zweieinhalbmal die Erde umrunden würden. Seltsam. Ich fände es schon weit von mir ins Stadtzentrum.
Je mehr ich über den menschlichen Körper erfahre, desto mehr laufe ich Gefahr, so zu werden wie der Held meines Buches.
Gestern Abend, bevor wir unseren gewohnten Spaziergang machten, haben Francesca und ich miteinander geschlafen. Es war das letzte Mal mit dem runden Bauch, beim nächsten Mal
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