Einfach mal die Schnauze halten! - Rick ; Bd.3
erwartete
er jetzt einen ähnlichen Hammergriff von mir.
»Jaaa, ich kann auch Wing Tsun!«, drohte ich deshalb
und stellte mich Karate-Kid-mäßig in Pose.
Der Kerl verzog eindeutig beeindruckt das Gesicht und
schoss davon. Im nächsten Moment rappelte sich der Dicke
hoch, bedachte uns mit Racheblicken und humpelte seinem
Kumpel hinterher.
»Wow«, hörte ich Nelly hinter mir staunen und drehte
mich stolz grinsend zu ihr um.
Aber sie meinte gar nicht mich. Sie himmelte Finn an.
»Das hätte ich dir echt nicht zugetraut.«
Und Finn, ich meine der Finn, dem ich gerade todesmutig
zur Hilfe geeilt war, lächelte zurück und besaß sogar die
Frechheit, dabei rot zu werden.
»Wenn du Lust hast, zeig ich dir mal ein paar Griffe«,
trällerte er schwachsinnig daher.
NEIN! Hat sie nicht.
Null Komma null und nullzig!
Nelly nickte. »Das wäre toll.«
Das war eindeutig zu viel für mich. Erst die Püttelmeyer
und jetzt auch noch das. Der Tag war wieder mal einfach
nur zum Weglaufen.
Es gab nur einen Menschen, der mich verstand. Nur
einer kapierte, was in mir vorgegangen war, als ich nach
der Szene mit Finn und Nelly keuchend an der Schulklotür
lehnte: Wutz!
Und als ob er meinen stillen Wutz-Hilferuf erhört hätte,
blickte er mir auf einmal entgegen, als ich nach der Schule
die Wohnungstür aufschloss.
»Hi, Kumpel.«
Schlagartig ging es mir besser. Am liebsten wäre ich ihm
um den Hals geflogen. Aber das kam mir doch ein wenig
albern vor. Also grinste ich nur so breit, dass meine Mundwinkel
fast einrissen.
»Hi, Wutz.«
Doch dann verschwand das Lächeln auch gleich wieder
von meinem Gesicht, weil er echt finster aus der Wäsche
guckte.
»Was ist denn los?«
Wutz deutete auf Gismo. Sein Kater lag rücklings im
Körbchen. Alle viere von sich gestreckt, starrte er stur
gegen die Zimmerdecke.
»Na ja, er ist eben immer noch beleidigt«, tat ich es
schulterzuckend ab. Schließlich gab es eine Sache, die mir
gerade viel mehr unter den Nägeln brannte. »Ich habe Pa
gesagt, dass ich nur umziehe, wenn du mitkommst«, erzählte
ich ihm auch gleich triumphierend. »Und da du das
ja nicht vorhast, bleibt alles so wie gehabt. Ist doch perfekto,
oder?!«
Aber Wutz schien mir gar nicht zuzuhören. »So geht das
nicht weiter. Ich fahre jetzt mit ihm zum Tierarzt.«
»Hä?«, machte ich.
»War das die ganze Zeit so?«
»Was?« Irgendwie stand ich voll auf der Leitung.
Wutz schaute mich grimmig an. »Ist euch denn gar nicht
aufgefallen, wie schlecht es Gismo geht?«, fragte er vorwurfsvoll.
»Doch … ähm … ich dachte, er schmollt eben noch immer
wegen Helena und so …«, stammelte ich.
»Unsinn. Er ist ernsthaft krank«, erwiderte Wutz und
zerrte die Transportbox aus der Abstellkammer hervor.
Gismo, der Sekunden zuvor noch wie in tiefster Meditation
vor sich hin gestarrt hatte, schoss mit einem schrillen
Katzenheuler in die Höhe.
»Siehste«, rief ich erleichtert, »der hat nix!«
Doch Wutz schüttelte den Kopf. »Das ist nur wegen der
Box.« Und schon hatte er das Teil wieder in die Abstellkammer
geschmissen und hetzte zu seinem hysterischen Kater
zurück.
»Alles gut, mein Junge. Die böse Box ist ja schon weg.«
Dann wandte er sich an mich. »Du musst Gismo im Auto
auf dem Schoß festhalten. Die Box regt ihn viel zu sehr auf.«
Blöd nur, dass ich gerade überhaupt keine Zeit hatte.
»Wir haben tierisch viel in Deutsch auf und um fünf ist
Training.«
Wutz schüttelte den Kopf. »Schon verstanden. Zisch ab.
Ich krieg das schon allein hin.«
Okay, ich geb's zu: Hätte ich in dem Moment auch nur
ein bisschen meinen Verstand eingeschaltet, hätte ich gemerkt,
was Sache ist. Aber dieses klitzekleine Fünkchen
Verstand fehlte mir leider.
Ich nickte. Und weil ich lebensmüde war, erzählte ich
auch noch: »Du glaubst nicht, was passiert ist! Ich muss
mich noch ein weiteres Jahr mit der bekloppten Püttelmeyer
herumärgern.«
Wutz klappte die Kinnlade herunter.
»Alter Falter«, sagte er beeindruckt.
Als er jedoch einen bedrohlichen Schritt auf mich zumachte,
raffte ich endlich, dass er gerade dabei war, sich in
einen grünen Wut-Hulk zu verwandeln.
»DAS IST JETZT NICHT DEIN ERNST?!«
Wutz knallte so heftig mit der Hand auf den Tresen, dass
alles, was darauf herumstand, in die Luft hüpfte.
Und sein unsensibler Ziehsohn, dem Hausaufgaben und
Eishockeytraining wichtiger waren als die Psyche seines
tierischen WG-Kumpels, fing nun endlich an, sich zu schämen.
Wirklich. Ich schämte mich einfach
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