Einfach mal die Schnauze halten! - Rick ; Bd.3
überall. Im Gesicht,
im Bauch, in den Beinen, ja, sogar meine Füße schämten
sich.
»Sorry«, murmelte ich mit rauer Stimme. »Klar komme
ich mit. Training kann ich ausfallen lassen.«
Auf der Fahrt herrschte angespannte Stille im Auto. Entweder
konzentrierte Wutz sich voll und ganz auf den Verkehr
oder er war immer noch stinkig auf mich. Ich dagegen hatte alle Hände voll zu tun, Gismo davon abzuhalten,
durch die Windschutzscheibe zu springen.
Das Einzige, was Wutz dazu von sich gab, war: »Es wäre
vielleicht besser gewesen, wenn du dich mit Gismo nach
hinten gesetzt hättest.«
Dass meine Hände und Unterarme inzwischen nur noch
aus blutigen Kratzern bestanden (passend zu meinem ohnehin
schon verschrammten Gesicht), war ihm keine Silbe
wert.
Kurze Zeit später lenkte Wutz den Wagen auf den Parkplatz
des Tierarztes. Er sprang raus, sprintete zur Eingangstür
und blieb dann sekundenlang wie erstarrt davor
stehen. Als er sich umdrehte, glich sein Gesicht einer Mischung
aus Hulk und Feuerqualle.
»Der ist im Urlaub«, zischte er mir zu, während er sich
schwerfällig in den Sitz zurückplumpsen ließ.
»Und nun?«, fragte ich zaghaft.
»Er hat die Adresse seiner Vertretung angegeben. Da fahren
wir jetzt hin.«
Zum Glück schien Gismo inzwischen seinen Durch-die-
Windschutzscheibe-in-die-Freiheit-Plan aufgegeben zu haben.
Er hockte schlaff auf meinem Schoß und hechelte
leicht. Geistesabwesend kraulte ich ihm das Fell und starrte
dabei zum Seitenfenster hinaus.
Erst als wir direkt vor der Tierarztpraxis anhielten,
raffte ich, wo wir uns befanden. Direkt neben unserem Trümmerhaus.
»Was wollen wir denn hier?«
Wutz schien auch leicht verwirrt zu sein. »Hm … aber
die Adresse stimmt«, sagte er und stieg aus.
Ich folgte ihm. Gismo fest umschlungen, baute ich mich
neben Wutz auf und gaffte das bunte Punkerhaus an.
»Das sieht aber kein bisschen nach Tierarztpraxis aus«,
fand ich.
Wutz nickte und Gismo miaute.
Ich drehte mich um und wollte zum Auto zurück, aber
Wutz rührte sich nicht von der Stelle.
»Was denn?«
»Vielleicht täuscht der äußere Eindruck. Gismo muss jetzt zum Tierarzt. Schau doch mal, wie schlapp er auf deinem
Arm hängt.«
Bevor ich etwas erwidern konnte – zum Beispiel, dass
sein heiß geliebter Kater schließlich auch seine ganze Energie
darauf verwendet hatte, mir während der Fahrt seine
spitzen Krallen in Hände und Arme zu jagen – hatte Wutz
schon geklingelt.
Es dauerte keine Minute, da wurde die Tür stürmisch
aufgerissen und eine junge Frau mit langen dunklen Locken
stand vor uns. Ich erkannte deutlich, wie Wutz' Hals
steif und sein Rücken sehr, sehr gerade wurde. Wenn ich es
nicht besser gewusst hätte …
Und schon stammelte er los: »Ach … hall-hallo … ichich
… äh, ich meine, mei-mein Kater, ähm … Gismo, er-er
ist k-krank …«
Niemals zuvor hatte ich Wutz so oberpeinlich herumstottern
hören. NOCH NIE!
»Dann schau ich mir am besten mal an, was mit Ihrem
Gismo los ist«, erwiderte die Frau lächelnd.
Wutz rührte sich nicht von der Stelle. Er tat nix. Vielleicht
atmete er noch nicht einmal mehr. Keine Ahnung.
Ich jedenfalls trabte zur Tür und hielt ihr Gismo hin. »Da
ist er!«
Die Frau schaute mich prüfend an. »Gehörst du nicht zu
der Familie, die das Haus nebenan kaufen möchte?«
Wutz machte: »Hä?«, und ich schüttelte turboschnell den
Kopf. »Nö, wie kommen Sie denn auf das schmale Brett?«
»Rick!«, motzte Wutz und verpasste mir einen echt fiesen
Ellbogencheck gegen den Oberarm. »Jetzt benimm
dich mal!«
Die angebliche Tierärztin sah leicht irritiert zwischen
Wutz und mir hin und her, bevor sie langsam den Kopf
schüttelte. »Hm, ich dachte, ich hätte dich vor ein paar
Tagen mit deiner Familie drüben gesehen. Und Hasso
meinte später, dass ihr das Haus kaufen wolltet. Na ja,
dann habe ich mich wohl getäuscht.«
»Hasso? Haus?« Wutz' Gesicht bestand aus einem einzigen
gigantischen Fragezeichen.
»Genau. Sie haben sich getäuscht«, beeilte ich mich zu
sagen und drückte ihr Gismo auf den Arm, bevor sie noch
mehr total überflüssige Fragen stellte. »Können Sie sich
jetzt bitte um unseren Kater kümmern?! Es geht ihm wirklich
nicht gut.«
Sie nickte. »Oh ja, natürlich. Wir gehen sofort ins Behandlungszimmer
mit ihm«, sagte sie und verschwand mit Gismo im knallbunten Haus, in dem keine Punker hausten,
sondern sich tatsächlich eine Tierarztpraxis befand.
Als wir die Villa Kunterbunt bald darauf wieder
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