Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
Flambeau; »daß dies das einzige Geheimnis sei, das seine Brüder ihm nicht mitgeteilt hätten. Man muß allerdings zugeben, daß das durch einige fragmentarische Worte unterstützt wird, die der große Ludwig in der Stunde seines Todes sprach, als er Heinrich ansah, aber auf Paul wies und sagte: ›Du hast ihm nicht erzählt…‹, und kurz danach vermochte er nicht mehr zu sprechen. Jedenfalls, die Abordnung der ausgezeichneten Geologen und Mineralogen aus Paris und Berlin war da in der glanzvollsten und angemessensten Aufmachung, denn niemand trägt seine Orden lieber als die Männer der Wissenschaft – wie jeder weiß, der einmal an einer Soirée der Royal Society teilgenommen hat. Es war eine brillante Versammlung, aber sehr spät und erst nach und nach entdeckte der Kämmerer – Sie haben sein Porträt auch gesehen: Ein Mann mit schwarzen Augenbrauen, ernstem Blick und einem ausdruckslosen Lächeln darunter –, der Kämmerer, sagte ich, entdeckte, daß alle da waren außer dem Fürsten. Er suchte alle äußeren Gemächer ab; dann erinnerte er sich an die wahnsinnigen Angstanfälle des Mannes und stürzte in das innerste Zimmer. Das war ebenfalls leer, aber den in seiner Mitte errichteten stählernen Turm oder Verschlag zu öffnen dauerte eine Weile. Als er sich öffnete, war er ebenfalls leer. Der Kämmerer ging hinein und starrte in das Loch im Boden, das tiefer schien und um so grabähnlicher – das ist natürlich sein Bericht. Und während er noch dabei war, hörte er Aufschreie und Tumult in den langen Räumen und Korridoren draußen.
    Zuerst war es ein fernes Getöse und Gekreische von etwas Undenkbarem am Rande der Menge, sogar außerhalb des Schlosses. Danach war es ein erschreckend nahes Gelärme, laut genug, um verständlich zu sein, hätte nicht das eine Wort das andere übertönt. Danach kamen Worte von schrecklicher Klarheit, und sie kamen näher, und als nächstes stürzte ein Mann ins Zimmer und berichtete die Neuigkeit so knapp, wie solche Neuigkeiten berichtet werden.
    Otto, Fürst von Heiligwaldenstein und Großenmark, lag im Tau des dunkelnden Dämmerlichtes im Walde jenseits des Schlosses, die Arme zur Seite und das Gesicht zum Mond empor geworfen. Das Blut pulsierte noch aus seiner zerschmetterten Schläfe und Wange, aber das war auch das einzige an ihm, was sich noch wie etwas Lebendes bewegte. Er war mit seiner weißgelben Paradeuniform bekleidet, wie um die Gäste drinnen zu empfangen, mit der Ausnahme, daß seine Schärpe gelöst worden war und zusammengeknüllt neben ihm lag. Bevor er aufgehoben werden konnte, war er tot. Aber tot oder lebendig war er ein Rätsel – er, der sich immer im innersten Zimmer verborgen hatte, hier draußen in den nassen Wäldern, unbewaffnet und allein.«
    »Wer hat seine Leiche gefunden?« fragte Father Brown.
    »Ein dem Hofe verbundenes Mädchen namens Hedwig von Soundso«, erwiderte sein Freund, »die in den Wald gegangen war, um wilde Blumen zu pflücken.«
    »Hatte sie welche gepflückt?« fragte der Priester und starrte leeren Blickes auf die Zweige über ihm.
    »Ja«, erwiderte Flambeau. »Ich erinnere mich besonders, daß der Kämmerer oder der alte Grimm oder sonstwer sagte, wie schrecklich das gewesen sei, als man auf ihren Ruf herbeieilte und das Mädchen erblickte, wie es mit Frühlingsblumen sich über dieses – dieses blutige Häufchen beugte. Jedenfalls, die Hauptsache ist, daß er tot war, ehe Hilfe eintraf, und diese Nachricht mußte natürlich sofort ins Schloß überbracht werden. Die Verwirrung, die sie dort auslöste, ging weit über alles hinaus, was an einem Hof beim Sturz eines Potentaten üblich ist. Die ausländischen Besucher, und insbesondere die Bergwerksexperten, waren in die wildesten Zweifel und Erregungen gestürzt, ebenso wie viele wichtige preußische Beamte, und es wurde bald deutlich, daß der Plan zur Auffindung des Schatzes eine viel größere Rolle in der Angelegenheit spielte, als man zunächst gedacht hatte. Experten und Beamten waren große Prämien und internationale Vorteile versprochen worden, und manche behaupteten sogar, daß die Geheimräume des Fürsten und die starke Bewachung weniger auf Furcht vor der Bevölkerung zurückgingen als vielmehr auf die Verfolgung irgendwelcher privater Nachforschungen von – «
    »Hatten die Blumen lange Stengel?« fragte Father Brown.
    Flambeau starrte ihn an. »Was sind Sie doch für ein merkwürdiger Mensch!« sagte er. »Genau das ist es, was der alte Grimm

Weitere Kostenlose Bücher