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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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wildem weißem Haar, aber einem Antlitz von erstaunlicher Sanftmut.«
    »Ich weiß«, sagte Father Brown, »ich habe ihn einmal gesehen.«
    Sein Freund schaute ihn überrascht an. »Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie schon früher hier waren«, sagte er. »Dann wissen Sie vielleicht ebensoviel darüber wie ich. Jedenfalls ist das die Geschichte der Arnholds, und er war ihr letzter Überlebender. Ja, und auch aller anderen Männern, die in diesem Drama ihre Rollen spielten.«
    »Sie meinen, daß auch der Fürst schon lange tot ist?«
    »Tot«, wiederholte Flambeau, »und das ist ungefähr alles, was wir darüber wissen. Sehen Sie, gegen Ende seines Lebens begannen seine Nerven, ihm Streiche zu spielen, wie das bei Tyrannen nicht ungewöhnlich ist. Er vervielfachte die übliche Tag- und Nachtwache rund um sein Schloß, bis es mehr Schilderhäuschen als Wohnhäuser in der Stadt zu geben schien, und zweifelhafte Charaktere wurden erbarmungslos erschossen. Er lebte fast ausschließlich in einem kleinen Zimmer genau im Zentrum des gewaltigen Labyrinthes all der anderen Zimmer, und selbst darin errichtete er sich noch eine Art Zentralzelle oder Zentralverschlag, mit Stahl beschlagen wie ein Safe oder ein Kriegsschiff. Manche behaupten, daß sich unter ihm wiederum ein geheimes Loch in der Erde befand, kaum groß genug, ihn zu fassen, so daß er also in seiner Angst vor dem Grab sich freiwillig an einen Platz verkroch, der einem Grab sehr ähnlich war. Aber er ging noch weiter. Die Bevölkerung galt eigentlich seit der Niederschlagung der Revolte als entwaffnet, aber Otto bestand nun, wie Regierungen das nur sehr selten tun, entschieden auf einer absoluten und buchstäblichen Entwaffnung. Sie wurde mit außerordentlicher Gründlichkeit und Strenge von ausgezeichnet organisierten Beamten durchgeführt, denen jeweils ein kleines und ihnen bekanntes Gebiet zugewiesen wurde, und soweit menschliche Kraft und Kenntnis von irgend etwas absolute Sicherheit erlangen können, war Fürst Otto absolut sicher, daß niemand auch nur eine Spielzeugpistole nach Heiligwaldenstein einführen konnte.«
    »Menschliche Kenntnis kann sich solcher Dinge niemals sicher sein«, sagte Father Brown, der immer noch die rosa Knospen an den Zweigen über seinem Kopf betrachtete, »und wenn auch nur wegen der Schwierigkeiten in Definition und Bezeichnung. Was ist eine Waffe? Menschen sind schon mit den sanftesten Haushaltsgegenständen ermordet worden; sicherlich mit Teekesseln, vielleicht gar mit Teewärmern. Auf der anderen Seite: Wenn Sie einem alten Britannier einen Revolver zeigten, bezweifle ich, daß er ihn als Waffe erkennte – bis man damit in ihn hineinschösse, natürlich. Vielleicht hat jemand eine Feuerwaffe mitgebracht, die so neu war, daß sie nicht einmal wie eine Feuerwaffe aussah. Vielleicht sah sie aus wie ein Fingerhut oder so was. War an der Kugel etwas Besonderes?«
    »Nicht daß ich wüßte«, antwortete Flambeau; »aber alle meine Informationen sind bruchstückhaft und stammen ausschließlich von meinem alten Freund Grimm. Er war ein sehr fähiger Detektiv im deutschen Geheimdienst, und er versuchte, mich festzunehmen; stattdessen habe ich ihn festgenommen, und dann hatten wir manch interessanten Plausch miteinander. Er war hier mit der Untersuchung zum Fall des Fürsten Otto betraut, aber ich habe vergessen, ihn zu der Kugel zu befragen. Nach Grimm hat sich folgendes ereignet.« Er hielt einen Augenblick inne, um den größeren Teil seines dunklen Lagerbieres in einem Zug zu trinken, und fuhr dann fort:
    »An dem fraglichen Abend sollte der Fürst allem Anschein nach in einem der äußeren Gemächer erscheinen, weil er bestimmte Besucher zu empfangen hatte, die er wirklich sehen sollte. Es handelte sich um Geologen, die ausgeschickt worden waren, um der alten Frage angeblicher Goldvorkommen in den Bergen hier herum nachzugehen, die so lange (sagt man) die Kreditwürdigkeit des kleinen Stadtstaates sicherten, weshalb der im Stande gewesen war, selbst während der pausenlosen Bombardierung durch größere Armeen seine Beziehungen zu den Nachbarn aufrechtzuerhalten. Bisher wurde aber selbst von der sorgfältigsten Untersuchung nicht gefunden, die – «
    »Die absolut sicher sein konnte, auch eine Spielzeugpistole zu finden«, sagte Father Brown mit einem Lächeln. »Aber was war mit dem verräterischen Bruder? Hatte der dem Fürsten nichts zu erzählen?«
    »Er hat immer wieder beteuert, daß er davon nichts wisse«, erwiderte

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