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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Sie war in jener Sorte Über-Französisch verfaßt, das Köche gebrauchen und Franzosen nicht verstehen. Es gab eine Tradition im Club, daß die hors d’œuvres unterschiedlich und vielfältig zu sein hatten bis zum Exzeß. Sie wurden höchst ernsthaft verspeist, da sie zugegebenermaßen überflüssige Zugaben darstellten wie das ganze Essen und der ganze Club. Es gab auch eine Tradition, daß die Suppe leicht und anspruchslos zu sein hatte – eine Art einfachen und strengen Fastens vor dem Fest des Fisches, das bevorstand. Das Gespräch war jenes sonderbare seichte Gerede, das das British Empire regiert, das es im Geheimen regiert und das doch einen gewöhnlichen Engländer kaum erleuchten würde, selbst wenn er ihm zuhören könnte. Kabinettsminister beider Parteien erwähnte man in einer Art gelangweilten Wohlwollens mit ihren Vornamen. Der radikale Schatzkanzler, den die ganze Partei der Tories angeblich wegen seiner Erpressungen verflucht, wurde wegen seiner unbedeutenden Gedichte oder wegen seines guten Sitzes im Sattel während der Jagd gelobt. Der Tory-Führer, den alle Liberalen angeblich als Tyrannen hassen, wurde durchgehechelt und im großen ganzen gelobt – als Liberaler. Irgendwie schien es, als seien Politiker sehr wichtig. Jedoch schien alles andere wichtig zu sein an ihnen, außer ihrer Politik. Mr. Audley, der Präsident, war ein liebenswürdiger älterer Herr, der immer noch Gladstone-Kragen trug; er war eine Art Symbol jener gauklerischen und doch so starren Gesellschaft. Er hatte niemals irgend etwas getan – nicht einmal etwas Falsches. Er war nicht leichtlebig; er war nicht einmal besonders reich. Er gehörte einfach dazu; und das war alles. Keine Partei konnte ihn übersehen, und hätte er ins Kabinett gewollt, würde man ihn sicherlich aufgenommen haben. Der Herzog von Chester, der Vizepräsident, war ein junger aufsteigender Politiker. Das heißt, er war ein gefälliger Jüngling mit glattem blondem Haar und einem sommersprossigen Gesicht, mit mäßiger Intelligenz und ungeheuren Ländereien. In der Öffentlichkeit waren seine Auftritte immer erfolgreich, und zwar auf die einfachste Weise. Wann immer ihm ein Witz einfiel, machte er ihn, und wurde brillant genannt. Wann immer ihm kein Witz einfiel, sagte er, jetzt sei nicht die Zeit zu scherzen, und wurde fähig genannt. Im Privaten, in einem Club seiner Klasse, war er einfach recht angenehm offen und albern wie ein Schuljunge. Mr. Audley, der sich nie mit Politik beschäftigt hatte, behandelte sie etwas ernsthafter. Manchmal verwirrte er die Gesellschaft sogar mit Sätzen, die andeuteten, daß es zwischen Liberalen und Konservativen gewisse Unterschiede gebe. Er selbst war ein Konservativer, sogar im Privatleben. Ihm hing eine graue Haartolle rücklings über seinen Kragen wie gewissen älteren Staatsmännern, und von hinten sah er aus wie der Mann, den das Empire braucht. Von vorne sah er aus wie ein sanfter, selbstgefälliger Junggeselle mit einer Wohnung im Hotel Albany – was er war.
    Wie bereits bemerkt wurde, gab es 24 Sitze am Terrassentisch, aber nur 12 Mitglieder des Clubs. So konnten sie denn die Terrasse auf die luxuriöseste Weise besetzt halten, indem sie entlang der inneren Tischseite saßen, ohne Gegenüber, und so einen ungestörten Blick auf den Garten hatten, dessen Farben immer noch leuchteten, obwohl der Abend sich für die Jahreszeit etwas zu düster um sie schloß. Der Präsident saß in der Mitte der Reihe, und der Vizepräsident an ihrem rechten Ende. Wenn die 12 Gäste zu ihren Plätzen schritten, war es (aus irgendwelchen unbekannten Gründen) üblich, daß die Kellner an der Wand Parade standen wie Truppen, die dem König ihre Waffen präsentieren, während der fette Besitzer dastand und sich vor dem Club in strahlender Überraschung verneigte, als ob er nie zuvor von ihnen gehört hätte. Aber noch vor dem ersten Klirren von Messer und Gabel war diese Vasallenarmee verschwunden, und nur jene ein oder zwei, die man zum Einsammeln und Austeilen der Teller benötigte, schossen in tödlichem Schweigen umher. Mr. Lever, der Besitzer, war natürlich längst zuvor unter Höflichkeitskrämpfen verschwunden. Es wäre übertrieben, ja geradezu unehrerbietig zu behaupten, daß er je wieder wirklich erschien. Wenn aber der wichtige Gang, der Fischgang, hereingebracht wurde, gab es – wie soll ich es beschreiben – einen lebendigen Schatten, die Projektion seiner Persönlichkeit, die mitteilte, daß er in der Nähe

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