Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
blaßgelben Mantel, der eher wie ein sehr leichter Morgenmantel aussah denn wie ein Rock, und auf seinem Hinterkopf saß ein außergewöhnlich breitkrempiger Hut von leuchtendgrüner Farbe, offenbar eine orientalische Rarität, die er irgendwo aufgelesen hatte. Er war stolz darauf, in so wenig zueinander passenden Kleidungsstücken aufzutreten – stolz auf die Tatsache, daß sie an ihm immer passend erschienen.
Sein Bruder der Kurat hatte das gleiche blonde Haar und die gleiche Eleganz, aber er war bis zum Kinn in Schwarz eingeknöpft, und sein Gesicht war glattrasiert, kultiviert und ein bißchen nervös. Er schien für nichts als seine Religion zu leben; aber es gab manche, die behaupteten (vor allem der Grobschmied, der ein Presbyterianer war), daß sie mehr aus der Liebe zu gotischer Architektur als zu Gott bestand und daß sein geisterhaftes Umherspuken in der Kirche nur eine andere und reinere Form der fast morbiden Gier nach Schönheit sei, die seinen Bruder auf Frauen und Wein hetzte. Diese Anschuldigung konnte angezweifelt werden, denn des Mannes praktische Frömmigkeit war unanzweifelbar. Und tatsächlich war diese Beschuldigung vor allem ein unverständiges Mißverständnis seiner Liebe zu Einsamkeit und geheimem Gebet und gründete sich darauf, daß man ihn oftmals auf den Knien nicht vor dem Altar fand, sondern an sonderbaren Orten, in der Krypta oder auf der Empore, oder sogar im Glockenturm. Im Augenblick war er dabei, über den Hof der Schmiede die Kirche zu betreten, aber er blieb stehen und runzelte ein wenig die Stirn, als er seines Bruders tiefliegende Augen in die gleiche Richtung starren sah. Auf die Vermutung, daß der Oberst an der Kirche interessiert sei, verschwendete er keinen Gedanken. Es konnte sich also nur um die Schmiede handeln, und obwohl der Grobschmied Puritaner und keiner seiner Gemeinde war, hatte Wilfred Bohun doch einige Skandalgeschichten über seine schöne und ziemlich gefeierte Frau vernommen. Er warf einen mißtrauischen Blick über den Hof, und der Oberst stand lachend auf, um ihn anzureden.
»Guten Morgen, Wilfred«, sagte er. »Wie jeder gute Grundbesitzer wache ich schlaflos über meine Leute. Ich wollte den Schmied sprechen.«
Wilfred blickte auf den Boden und sagte: »Der Schmied ist nicht da. Er ist drüben in Greenford.«
»Ich weiß«, antwortete der andere mit lautlosem Lachen; »deshalb bin ich ja zu ihm gekommen.«
»Norman«, sagte der Kleriker und heftete seinen Blick auf einen Kieselstein auf der Straße, »hast du keine Angst vor Donnerkeilen?«
»Was meinst du damit?« fragte der Oberst. »Ist Meteorologie dein Steckenpferd?«
»Ich meine«, sagte Wilfred, ohne aufzublicken, »denkst du nie daran, daß Gott dich auf der Straße niederstrecken könnte?«
»Um Vergebung«, sagte der Oberst; »dein Steckenpferd sind wohl Volksmärchen.«
»Ich weiß, daß dein Steckenpferd die Blasphemie ist«, erwiderte der Mann der Religion, an seiner einzigen empfindlichen Stelle getroffen. »Aber wenn du auch Gott nicht fürchtest, so hast du doch Grund, den Menschen zu fürchten.«
Der ältere hob höflich seine Augenbrauen. »Den Menschen fürchten?« sagte er.
»Barnes der Schmied ist der größte und stärkste Mensch im Umkreis von 40 Meilen«, sagte der Priester streng. »Ich weiß, daß du kein Feigling oder Schwächling bist, aber er könnte dich über die Mauer schmeißen.«
Der Hieb saß, da unbestreitbar wahr, und die mürrische Linie an Mund und Nasenflügel wurde dunkler und tiefer. Für einen Augenblick stand er da mit seinem schweren Grinsen im Gesicht. Aber sofort danach hatte Oberst Bohun seine eigene grausame gute Laune wiedergefunden und lachte, wobei er unter seinem gelben Schnurrbart zwei gelbe hundeähnliche Reißzähne sehen ließ. »Für diesen Fall, mein lieber Wilfred«, sagte er sorglos, »war es weise, daß der letzte der Bohuns teilweise in Rüstung ausgegangen ist.«
Und er nahm den merkwürdigen runden grünbezogenen Hut ab, und da zeigte sich, daß er innen mit Stahl gefüttert war. Wilfred erkannte darin einen leichten japanischen oder chinesischen Helm, der von einer Trophäe herabgerissen war, die im alten Ahnensaal hing.
»Es war der erste Hut, der mir in die Hände kam«, erklärte sein Bruder leichthin; »immer der nächste Hut – und die nächste Frau.«
»Der Grobschmied ist in Greenford«, sagte Wilfred ruhig; »die Stunde seiner Rückkehr steht nicht fest.«
Und damit wandte er sich ab und ging mit gebeugtem Haupt
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