Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Sohn wegnimmt.«
»Mum und Dad wohnen im Ausland«, sagte Randall. »Aber die werden von Caroline begeistert sein, ganz bestimmt.«
Die Weinflasche war leer und Caroline schickte ihren Freund in die Küche, um eine neue zu holen. »Gewöhn dich schon mal dran, mich von vorn und hinten zu bedienen«, rief sie ihm hinterher. Dann hörten sie, wie die Badezimmertür zuging.
»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht?«, fragte Caroline.
»Na klar, ich bin doch schon groß.«
»Wirst du hier wohnen bleiben?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich, ich kann mir die Miete auch allein leisten. Außerdem habe ich’s von hier aus nicht weit zur Arbeit.«
»Du könntest dir ein paar Fische anschaffen, damit du nicht so allein bist«, sagte Caroline mit schelmischer Miene.
»Ja klar … ich soll für andere Lebewesen sorgen? Das traue ich mir nicht zu.« Sie musste an Hugos ausgestopftes Huhn denken. Dafür würde ihre Fürsorglichkeit gerade noch reichen.
»Und wie läuft’s … mit dem Fall?«
Jessica wollte nicht darüber reden, deshalb nickte sie nur und sagte: »Es läuft ganz gut.«
Als Jessica am nächsten Morgen zur Arbeit fuhr, war ihr wie auf dem Weg zu ihrer eigenen Hinrichtung. Der Regen peitschte auf die Fahrbahn, deshalb würde sich der Andrang von Medienleuten vor der Wache in Grenzen halten. »Journalisten …«, sagte sie zu sich selbst, »Menschen, die unermüdlich nach der Wahrheit suchen … außer wenn es regnet. Dann ist ihnen die Wahrheit scheißegal.«
Es standen einige Leute vor dem Tor, aber viel weniger als am Vortag. Sie fuhr zwischen ein paar Fernsehkameras hindurch und parkte so, dass der Wagen sie beim Aussteigen teilweise vor den Kameras abschirmte. Ihr war nicht danach, sich ablichten zu lassen. Sie war sich zwar sicher, dass man ihr den Fall wegnehmen würde, trotzdem hatte sie sich morgens wieder die Nachrichtenangesehen. Auf allen Sendern wurde über Nigel Collins’ tragische Geschichte berichtet, und offensichtlich hatten die Medien auch herausbekommen, dass die drei jungen Männer, die an diesem Morgen vor Gericht standen, und der, der bereits einsaß, etwas damit zu tun hatten. Wahrscheinlich tummelten sich deshalb heute nicht so viele Journalisten vor dem Tor. Alle waren beim Gericht.
Zuerst ging sie nach oben, aber als Aylesbury sie durch sein Fenster erspähte, schickte er sie mit einer Geste weg. Er war am Telefon und entschied wahrscheinlich gerade über ihr Schicksal. Also ging sie zurück zum Empfang und sah sich die Nachrichten auf dem Fernseher an der Wand an. Es gab ein paar Außenaufnahmen des Gerichts, aber mehr nicht. Es wurde nur ein Reporter gezeigt, der im strömenden Regen stand und aufgeregt in die Kamera sprach. »Geh doch rein«, sagte sie leise.
Jessica nahm sich eine Ausgabe des
Herald
vom Empfangsschalter und ging in ihr Büro. Da Reynolds nicht da war, zog sie die Schuhe aus und lehnte sich zurück, um die Zeitung zu lesen. Was auf der Titelseite stand, konnte sie sich schon denken, deshalb blätterte sie direkt weiter. Dabei stieß sie auf eine neue Hintergrundstory von Garry Ashford. Diesmal hatte er Paul Keegan interviewt.
Es war ein Exklusivbericht und Jessica war ziemlich beeindruckt, dass er es geschafft hatte, Kim Hogan und Paul Keegan zu interviewen, und das an zwei aufeinander folgenden Tagen. Er hatte sie nicht mehr angerufen, seit sie es ihm untersagt hatte, und im Nachhinein tat es ihr ein bisschen leid. Er war zwar eine Nervensäge, aber sein Anruf nach jedem Leichenfund war wie ein Tritt in den Hintern gewesen, den sie gebraucht hatte, um richtig in die Gänge zu kommen. Außerdem hatten ihr seine Anrufe natürlich eine willkommene Gelegenheit geboten, Dampf abzulassen, weil sie ihn nach Herzenslust mit ausgesuchten Kraftausdrücken überschütten konnte.
In Garrys Artikel ging es vor allem um Mary Keegans Verdienste. Er erwähnte nicht, welche Rolle Scott in der Mordsache spielte, aber darüber wurde anderswo berichtet. Stattdessen war die Rede von ihrer gemeinnützigen Arbeit und all ihren Jahren alsKrankenschwester. Es war ein guter Artikel. Jessica war tief berührt und dachte, was für eine Schande es doch war, dass Mary sterben musste.
Sie blätterte die Zeitung durch und fand es seltsam, dass nach diesem düsteren Thema direkt auf der nächsten Seite eine heitere Geschichte über jemanden kam, der versucht hatte, den Weltrekord im Kreuzstich zu brechen. Einfach bizarr.
Es klopfte an der Tür. »Herein.«
Aylesbury kam herein
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