Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
auch warten, aber Jonathan wollte fortfahren. Er sagte, er sei wie üblich aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Er arbeitete auf dem Bau und ging jeden Morgen um halb sieben aus dem Haus. Seine Mutter, die als Sekretärin bei der Kommune arbeitete, war um diese Zeit auch immer schon auf, aber seinen Vater bekam er meistens erst zu Gesicht, wenn er nach Hause kam. Er sagte, sein Vater habe früher bei einer Druckerei gearbeitet, sei aber einige Jahre zuvor entlassen worden. Er hatte seitdem keine Arbeit mehr gefunden und verließ nur selten das Haus.
»Er wusste einfach nichts mit sich anzufangen, und in dem Alter, da gibt einem keiner mehr eine Chance. Er hatte sich verändert. Er war nicht verbittert … nur
traurig
.«
Es war unmöglich, nicht bewegt zu sein von der Art, wie Jonathan über seinen Vater sprach, den er nur Stunden zuvor tot aufgefunden hatte. Jonathan war nach der Schule selbst eine Zeitlang arbeitslos gewesen, war aber schon seit zwei Jahren bei einem örtlichenBauunternehmen beschäftigt. Er hatte öfter mit dem Gedanken gespielt auszuziehen, aber seine Eltern konnten die Miete, die er zahlte, gut gebrauchen, um ihren Hauskredit abzubezahlen, und er wollte sie nicht in finanzielle Schwierigkeiten bringen.
»Okay, das wird jetzt hart, Jonathan, aber können Sie beschreiben, wie es war, als Sie Ihren Vater gefunden haben?«, fragte Jessica.
»Es war so gegen drei und wir hatten gerade Feierabend gemacht. Ich hatte nichts Besonderes vor, deshalb bin ich mit ein paar Kollegen noch in den Pub gegangen. Anschließend wollte ich einfach nach Hause und mit meiner PlayStation spielen.«
»Sind Sie mit dem Auto gefahren?«
»Nein, um Gottes willen. Mit dem Taxi.«
»Und was war, als Sie nach Hause kamen?«
»Ich habe die Tür aufgeschlossen …«
Darauf hatte Jessica gewartet, obwohl sie es sich schon hatte denken können. »Die Haustür war also abgeschlossen, als Sie nach Hause kamen.«
»Ich glaube schon …« Jonathan überlegte kurz und nickte dann heftig. »Ja, ganz bestimmt. Die Tür war abgeschlossen, denn ich hatte später immer noch meine Schlüssel in der Hand.«
»Ist immer abgeschlossen, wenn Sie nach Hause kommen?«
»Manchmal. Ich meine, wenn meine Mutter schon zur Arbeit gegangen ist und mein Vater noch im Bett liegt. Sie schließt dann immer ab, für alle Fälle. Es kommt drauf an, ob er schon auf ist.«
»Okay, was war dann?«
»Ich bin ins Wohnzimmer gegangen, um hallo zu sagen. Normalerweise hört man sofort den Fernseher, wenn man zur Tür reinkommt. Aber es war ganz still. Ich bin ins Wohnzimmer gegangen und da war er …« Jonathan verstummte.
Sobald Jessica am Tatort eingetroffen war, hatte sie sämtliche Fenster und die Hintertür untersuchen lassen. Alles war verriegelt gewesen. Die Haustür war natürlich offen, aber Jonathan hatte den Leuten von der Notrufzentrale gesagt, er habe die Tür aufgeschlossen, bevor er seinen toten Vater fand. Martin Princes Schlüsselhatten sie im Schlafzimmer im ersten Stock zusammen mit seinem Portemonnaie auf seinem Nachttisch gefunden.
Auch bei diesem Fall war es ein Rätsel, wie der Täter hinein- und herausgekommen war.
Jonathan hatte gesagt, er sei den ganzen Tag auf der Arbeit gewesen. Sie würden seine Kollegen und seinen Chef befragen, aber Jessica war sich sicher, dass sein Alibi stimmte. Mit seiner Mutter war die Sache nicht so einfach. Sandra Prince kam gerade nach Hause, als die Polizei am Tatort erschien. Als ihr klar wurde, dass die Beamten in ihr Haus gingen, und erfuhr, was mit ihrem Mann geschehen war, brach sie zusammen. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Sie wurde mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. Die Gaffer hinter ihren Gardinen waren diesmal wirklich auf ihre Kosten gekommen, dachte Jessica.
Vor Jonathans Vernehmung hatte Jessica im Krankenhaus angerufen. Es hieß, Sandra sei wieder bei Bewusstsein, aber noch nicht vernehmungsfähig. Offenbar war der Schock zu viel für sie gewesen. Sie war im Flur ihres Hauses ohnmächtig geworden. Die Beamten hatten sie nicht ins Wohnzimmer gelassen. Sie sollte ihren Mann nicht in diesem Zustand sehen. Ihre Handtasche war im Haus zurückgeblieben. Jessica hatte zwar ein ungutes Gefühl dabei, warf aber trotzdem einen Blick hinein. Ihre Hausschlüssel waren natürlich in der Tasche, wo sonst?
Sobald die Ärzte es zuließen, würden sie Sandra vernehmen. Unter den gegebenen Umständen – und da sie wahrscheinlich den ganzen Tag an ihrem Arbeitsplatz gewesen
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