Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
sah sie an, als wollte er sagen: Ich bin nicht so ganz sicher, dass Sie nicht doch was damit zu tun haben. Stattdessen sagte er: »Im Moment ist es noch relativ harmlos, aber falls noch mehr durchsickert, wird es zu einer internen Ermittlung kommen.«
An diesem Morgen herrschte auf der Wache helle Aufregung. Nichts brachte die Leute so schnell auf Trab wie ein Leichenfund. Manchen ging es vor allem darum, den Mörder zu fassen, anderen nur darum, ihre eigene Karriere anzukurbeln. Die Ambitionen der meisten Polizeibeamten lagen irgendwo dazwischen. An der Weißwandtafel der Einsatzzentrale hing jetzt neben dem Foto von Yvonne Christensen auch eins von Martin Prince. Sie sollten alle Beteiligten an ihre Aufgaben erinnern. In der morgendlichen Besprechung wiederholte Aylesbury nur, was er ihr schon in seinem Büro gesagt hatte.
Er bläute allen noch einmal ein, dass nichts nach außen dringen dürfe. Anschließend klärte Jessica die Kollegen über die neuesten Erkenntnisse auf. Jonathan Princes Kollegen hatten sein Alibi bestätigt. Sandra Prince war zwar immer noch im Krankenhaus, aber sie hatten ermittelt, dass auch sie am Vortag gearbeitet hatte. Die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung wurden noch am selben Tag erwartet. Vorläufig gingen sie davon aus, dass Martin Prince auf die gleiche Weise – und wahrscheinlich vomselben Täter – ermordet wurde wie Yvonne Christensen. Sie hatten einen uniformierten Beamten zu Sandra Prince ins Krankenhaus geschickt, der Jessica Bescheid sagen würde, wenn sie vernehmungsfähig war. Alle hüteten sich, von einem »Serienmörder« zu sprechen. Solang sie keine Bestätigung hatten, dass es sich um denselben Täter handelte, war dieses Wort tabu.
Auch diesmal gab es eine Hotline für Hinweise aus der Bevölkerung, und mehrere Beamte wurden abgestellt, um Anrufe entgegenzunehmen. Ein paar Uniformierte würden wieder die Nachbarn befragen, und ein Teil des Teams hatte den Auftrag, nach einer Verbindung zwischen den beiden Opfern zu suchen. Es war zwar durchaus möglich, dass der Mörder vollkommen wahllos vorgegangen war, aber wesentlich wahrscheinlicher war, dass es eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden gab, eine Spur, die vielleicht zum Täter führte. Als Erstes würden sie Eric Christensen fragen, ob er Martin Prince kannte. Große Hoffnung hatten sie nicht, aber manchmal übersah man einfach das allzu Offensichtliche.
»Findet die Verbindung zwischen den beiden, dann finden wir den Täter«, sagte Jessica der versammelten Mannschaft.
Zu behaupten, Garry Ashford wäre wegen seines Treffens mit Detective Sergeant Daniel nervös gewesen, wäre eine maßlose Untertreibung gewesen. Einer der ersten Grundsätze, die man als Journalist lernte, war der Schutz seiner Quellen, deshalb würde er auf keinen Fall verraten, woher er seine Informationen hatte. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn wirklich für verdächtig hielt, wie sie am Telefon behauptet hatte. Hätte sie ihn dann nicht verhaftet? Wahrscheinlich nahm sie ihn nur auf den Arm.
Er hatte seinem Redakteur noch nicht erzählt, dass er zusätzliche Informationen über den zweiten Mord hatte. Die Pressemitteilung der Polizei hatte die üblichen Angaben enthalten, aber sein Chef hatte ihn gefragt, was er sonst noch wisse, und ihn beauftragt, sich mit seiner Kontaktperson in Verbindung zu setzen, um dieganze Geschichte zu erfahren. Garry hatte versprochen, sich darum zu kümmern. Außerdem hatte er erwähnt, dass er sich mit der Polizistin treffen würde, um den Fall zu diskutieren. Das stimmte natürlich nicht ganz. Eigentlich sollte sie nur die Informationen bestätigen, die er schon hatte. Im Grunde wusste er sowieso schon, dass sie korrekt waren.
Nachdem sein Chef in seinem Leitartikel in der Woche zuvor die Polizei kritisiert hatte und dabei nicht nur auf Garrys Informationen zurückgegriffen, sondern auch seinen Namen benutzt hatte, rückte er neue Erkenntnisse jetzt nicht mehr so schnell heraus. Irgendwie war es ihm gelungen, sich das Wohlwollen seines Chefs zu bewahren, ohne das Gefühl zu haben, sein Berufsethos zu verletzen. Er hatte keine Probleme damit, nicht freigegebene Informationen zu veröffentlichen oder Nachrichtensperren der Polizei zu ignorieren, aber ihm gefiel nicht, wie die Polizei angegriffen wurde, ohne einen Gedanken an die Opfer zu verschwenden.
Er saß in einem kleinen Café in der Innenstadt, gleich um die Ecke seiner Redaktion. Die Fassade des altmodischen Lokals passte so gar
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