Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
stagnierten, überlegte Jessica nach Feierabend öfter, wie sie dieser fürchterlichen Nervensäge mit den langen Haaren und der albernen Tweedjacke das Leben zur Hölle machen könnte.
In fast allen Mordfällen kannten sich Täter und Opfer schon vorher. Meistens war der Täter ein Angehöriger oder jemand, mit dem das Opfer eine Liebesbeziehung hatte. Aber alle ihnen bekannten Personen aus dem näheren Umfeld des Opfers schieden als Verdächtige aus. Sie hatten ihren Ehemann und dessen neue Freundin, den Sohn, die Nachbarn und für alle Fälle auch Stephanie und Ray Wilson unter die Lupe genommen. Sie hatten ihre Konten und Anrufprotokolle überprüft und nichts Auffälliges gefunden. Anscheinend hatte niemand ein Motiv, Yvonne umzubringen. Aber selbst wenn sie zufällig ein Motiv entdeckt hätten, niemand konnte den Tathergang erklären. Jessica war vollkommen ratlos.
All das ging ihr durch den Kopf, während sie durch den Regen nach Hause fuhr. Und sie hatte auch schon einen festen Plan fürden Abend: Sie würde die Schuhe ausziehen und schön im Wohnzimmer mit einer Flasche Wein relaxen.
Jessica liebte ihr gemeinsames Wohnzimmer einfach. Es war wahnsinnig gemütlich, der perfekte Ort, um nach einem miesen Tag auszuspannen. Man konnte sich einfach auf das dunkelbraune Stoffsofa fallen lassen und ein paarmal war sie auch schon darauf eingeschlafen. Sie hatten auch noch einen bunt bezogenen Fernsehsessel, aber Jessica zog das Sofa vor. Zwischen den beiden Polstermöbeln stand ein niedriger Tisch, auf dem meistens ein Stapel von Carolines Klatschzeitschriften lag. Jessica tat so, als würde sie nie einen Blick reinwerfen, aber wenn sie allein war, blätterte sie sie öfters durch.
Beide sahen nicht viel fern und hatten deswegen auch nicht in eine Satellitenschüssel oder einen Kabelanschluss investiert. Sie waren beide beruflich sehr stark eingebunden und Jessica hatte sowieso nie viel fürs Fernsehen übriggehabt.
Caroline hatte etliche DVD-Box-Sets, aber Jessica sah sich eigentlich nur die Nachrichten und nächtliche Wiederholungen der trashigen Talkshows aus dem Vormittagsprogramm an. Ihre Talkshow-Sucht hätte sie ihren Kollegen gegenüber natürlich niemals zugegeben. Die hätten sie sicher nicht mehr ernst genommen, wenn sie gewusst hätten, dass sie nachts aufblieb, um die Ergebnisse der Vaterschaftstests aus der letzten Sendung zu erfahren.
Aber als sie an diesem Abend nach Hause kam, saß ein fremder Mann auf ihrem Sofa und trank Bier aus einer Dose.
Jessica hatte ihren Schuh schon halb abgestreift, als sie den Mann bemerkte, und sagte überrascht: »Äh … hallo …?«
»Ach, hi … bist du Jessica? Ich bin Randall, Carolines Freund.«
Als Caroline die Stimmen hörte, kam sie ins Wohnzimmer. Sie sagte, sie habe sich nur eben umgezogen und Randalls Besuch würde Jessica doch hoffentlich nicht stören. »Ich wollte, dass ihr euch endlich kennenlernt. Wir haben alle immer so viel um die Ohren, deshalb habe ich ihn einfach eingeladen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus«, erklärte Caroline.
Es störte Jessica eigentlich auch nicht, aber sie wäre trotzdem gern vorher gefragt worden. Und es wurde dann doch noch ein schöner Abend.
Randall sah nicht schlecht aus: knapp eins achtzig mit rasiertem Schädel und blauen Augen. Nach dem, was sein enges T-Shirt verriet, zu urteilen, hatte er auch eine ganz gute Figur. Er ging offensichtlich ins Fitnessstudio, aber seine Muskeln wirkten nicht übertrieben. Auf seinem rechten Unterarm war eine Tätowierung mit irgendwie stacheligen Lettern, die Jessica aber nicht entziffern konnte. Er war eigentlich nicht ihr Typ. Sie stand nicht auf Männer, die so viel Zeit im Fitnessstudio verbrachten. Tätowierungen und Piercings mochte sie auch nicht sonderlich. Er machte aber einen sympathischen Eindruck, und Caroline konnte kaum den Blick von ihm abwenden.
Obwohl Jessica das Sofa eigentlich bequemer fand, überließ sie es Randall und Caroline und nahm auf dem Fernsehsessel Platz. Im Fernsehen lief eine alberne Spielshow. Sie sahen nur halb hin, aber lachten über die Unwissenheit der Kandidaten, während Caroline versuchte, ihre beste Freundin und ihren neuen Freund dazu zu bewegen, sich miteinander zu unterhalten. Die Flasche Wein, die die beiden Frauen sich teilten, war ihr dabei behilflich.
»Die Schuhe haben euch also zusammengebracht«, sagte Jessica, nachdem sie schon eine Stunde geplaudert hatten.
Caroline und Randall sahen sich an und mussten kichern. Dann
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