Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
nicht zu den Glasfronten der Neubauten und renovierten Gebäude ringsum. Das Café sah aus, als hätte es sich schon seit Jahrhunderten dort befunden. Es duftete nach exotischen Teesorten und hatte ein bestimmtes Flair, das man nur in alten britischen Cafés fand. Innen gab es nur ein halbes Dutzend runde Metalltische mit passenden Stühlen, die immer quietschten, wenn man sie verschob. Auch draußen vor dem Café standen zwei Tische, für den Fall, dass einmal die Sonne herauskam. Hier ging Garry zweimal die Woche Mittagessen, denn es war billig und die Bedienungen waren hübsch. Er wusste nicht, ob sie rein nach Aussehen eingestellt wurden, aber es schien fast so.
Garry bestellte einen Cappuccino und sagte der blonden Bedienung, dass er auf eine Freundin wartete. Nach der telefonischen Modeberatung des Vorabends trug er nun eine ganz unauffällige Jacke über seinem Hemd. DS Daniel war schon fünf Minuten zu spät dran, deshalb sah er nach, ob sie ihm eine SMS geschickt oder auf seine Mailbox gesprochen hatte. Keine Nachricht, aber als eraufsah, kam sie schon durch die Tür und machte mal wieder ein besonders mürrisches Gesicht. Sie erspähte ihn sofort, kam rüber und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
Die Bedienung machte Anstalten, zu ihnen an den Tisch zu kommen, aber die Polizistin gab ihr mit einem Blick klar zu verstehen, dass sie sich fernhalten sollte.
»Hallo«, sagte Garry, als sie sich setzte.
»Okay, hier bin ich. Was wollen Sie?«
DS Daniel sah aus, als wäre sie in eine Windbö geraten. Sie versuchte hektisch, sich ihr langes, völlig zerzaustes Haar aus dem Gesicht zu streichen. Zum ersten Mal bemerkte Garry ihre Augen. Sie waren teils grün, teils braun. Sie gefielen ihm, aber ihr Blick gefiel ihm überhaupt nicht.
»Ich wollte nur ein paar Sachen nachfragen.«
»Legen Sie los.«
Er blätterte in seinem Notizbuch und las darin, ohne aufzusehen. »Nach meinen Informationen wurde die Person, die Sie gestern Abend tot aufgefunden haben, von demselben Täter umgebracht wie Yvonne Christensen. Nicht nur das, beide Leichen wurden in Häusern aufgefunden, die vollkommen verriegelt waren, und Sie haben keine Ahnung, wie der Täter rein- und rausgekommen ist.«
DS Daniel senkte den Blick und atmete tief durch. Dann sah sie ihn wieder an, aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Sie sah nicht mehr wütend aus, nur noch müde. »Hören Sie, ich werde Sie nicht nach Ihrer Quelle fragen, aber das dürfen Sie auf keinen Fall drucken. Wir wissen nicht, ob das alles so stimmt. Zwei Menschen wurden ermordet. Was wir brauchen, ist Hilfe bei der Suche nach dem Täter, keine sensationslüsternen Schlagzeilen, die eine Panik auslösen könnten.«
Garry konnte ihren Standpunkt verstehen und stimmte ihr in gewissem Maße zu, aber er war immerhin Journalist. Er sah nicht ein, dass er seine Informationen nicht nutzen durfte, nur weil sie nicht von offizieller Stelle kamen. Er würde aber verantwortungsvoll damit umgehen. »Ich habe die Schlagzeilen nicht geschrieben,das war mein Chefredakteur. Aber Sie können doch nicht von mir erwarten, dass ich neue Informationen einfach für mich behalte. Ich muss auch meine Arbeit machen.«
»Vielleicht haben Sie recht …« Jessica zögerte kurz, dann sagte sie: »In Ordnung, veröffentlichen Sie, was Sie haben. Aber wenn ich irgendwo in dem Artikel das Wort ›Serienmörder‹ lese …« Sie brach den Satz ab, aber es war klar, was sie meinte.
»Ich werde tun, was in meiner Macht steht, aber die Schlagzeilen schreibt der Chefredakteur. Es liegt also bei ihm.«
»In Ordnung.«
»Also darf ich Sie zitieren?«
»Treiben Sie’s nicht zu weit. Ich traue keinem, der seinen eigenen Namen nicht buchstabieren kann.«
»Hä?«
»Gary schreibt man nur mit einem r, Sie Trottel.«
Jessica saß in einem Bus, der in der Nähe der Wache hielt. Anschließend hatte sie noch fünf Minuten Fußweg vor sich, aber das störte sie nicht. Sie hatte keine Lust gehabt, zu dem Termin mit dem Journalisten das Auto zu nehmen. Die Parkplatzsuche im Zentrum war immer der reinste Albtraum, und sie hatte sowieso nicht vorgehabt, lang mit ihm zu reden.
Eigentlich war es gar nicht so schlecht gelaufen. Sie glaubte ihm sogar, dass sein Chefredakteur die Story ein bisschen aufgebauscht hatte, um der Polizei eins auszuwischen. Wenn sie früher mit Harry in den Pub gegangen war, hatte er manchmal über den Nutzen von Journalisten gesprochen. »Aber überleg dir genau, wem du traust«,
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