Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
schnell wieder weg, bevor sie Augenkontakt aufnehmen konnte. Beide waren relativ jung, vielleicht Anfang vierzig. Der Mann hatte einen Seitenscheitel und trug einen Anzug, der ihm eine Nummer zu groß war. Die Frau hatte ihr langes, braunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Aylesbury begrüßte sie knapp: »DS Daniel.« Dann gab er ihr einen Moment Zeit, sich zu sammeln, und stellte die beiden Fremden vor.
»Einige von Ihnen kennen bereits die Kollegen Finch und McNiven vom Dezernat für interne Ermittlungen. Sie möchten mit Ihnen über die Informationen reden, die den Medien zugespielt wurden. Die Zeitungsberichte haben Sie sicher alle gelesen.«
Um seine Rede zu unterstreichen, hielt er ein Exemplar des
Herald
vom Morgen hoch. Seine Stimme war ziemlich ruhig, aber Jessica konnte sehen, wie in ihm die Wut hochkochte. Wahrscheinlich hielt er sich wegen der internen Ermittler zurück. Sie fragte sich, ob seine Wut sich gegen den Presseinformanten oder gegen die Leute richtete, die gegen seine Mitarbeiter ermitteln wollten. Sie war selten einer Meinung mit dem DCI, aber die meisten würden sich bei internen Ermittlungen hinter die eigenen Kollegen stellen.
»Wir alle wissen, wie nützlich die Medien sein können, aber derjenige, der ihnen diese Informationen zugespielt hat, hat uns nicht nur öffentlich blamiert, er hat auch die Ermittlungen gefährdet. Wir hatten noch keine Möglichkeit, mit Sandra Prince zu sprechen, und ihr Zustand wird sich wohl kaum verbessern, wenn sie diese Schlagzeilen zu Gesicht bekommt. Es ist wichtig, dass die Leute sich in ihrem eigenen Zuhause sicher fühlen und uns vertrauen.
Niemandem
ist damit geholfen, wenn vertrauliche Informationen gedankenlos veröffentlicht werden.« Den letzten Satz sprach er mit besonderem Nachdruck aus. »Die Kollegen Finch und McNiven werden vorübergehend ein Büro hier auf dem Flur beziehen und so ziemlich alle Beamten verhören. Aber mit Ihnen dreien werden sie sich zuerst befassen. Anschließend können Sie sich wieder Ihrer Arbeit widmen. Sie wissen ja, wie so was abläuft.«
Niemand sagte etwas, aber es gab dem auch nicht viel hinzuzufügen. Jessica wusste nicht, wer von den beiden Finch war und wer McNiven. Die Frau sah von dem Bogen Papier, der vor ihr lag, auf und sagte: »Wir würden gern mit DS Daniel beginnen, wenn niemand etwas dagegen hat.«
Das hatte Jessica sich schon gedacht.
Cole und Reynolds verließen nacheinander das Büro und gingen nach unten, während Jessica den beiden Ermittlern den Flur entlang folgte. Der Mann ging vor und bog ein Stück weiter links ab. Sie gingen weiter bis zum letzten Raum am Ende des Flurs. Jessica kannte diesen Bereich gar nicht. Sie hatte angenommen, dass sich hier nur Lagerräume befanden. Als der Mann das Licht anmachte, sah es tatsächlich nach einem Lager aus. Es roch nach Staub, und an der Rückwand des Raums standen von Aktenordnern überquellende Kartons. Jemand hatte einen Tisch in den Raum gestellt, der offensichtlich aus der Kantine stammte. Die beiden Ermittler setzten sich, und der Mann bat Jessica, ihnen gegenüber Platz zu nehmen.
Die Frau sprach als Erste. »Also, DS Daniel, ich bin Officer McNiven und das ist Officer Finch. Wie Sie bereits wissen, sind wir vom Dezernat für interne Ermittlungen der Greater Manchester Police. Darf ich zunächst fragen, ob Sie wissen, warum Sie heute hier sind?«
Um mir einen Riesenanschiss abzuholen
, dachte Jessica. Stattdessen sagte sie: »Damit wir alle
gemeinsam
verhindern können, dass Informationen an die Presse gelangen, die meine Ermittlungen behindern könnten.«
Das Wort »gemeinsam« betonte sie ganz besonders.
Officer McNiven lächelte. »So was in der Art.« Sie machte eine kurze Pause und ging ihre Papiere durch. Dann fuhr sie fort: »Also, in welchem Verhältnis stehen Sie zu Garry Ashford?«
Jessica berichtete, dass sie dreimal mit ihm telefoniert hatte. Dass er sie an dem Samstag, an dem sie das erste Opfer gefunden hatten, angerufen hatte. Dann, dass Sie ihn am nächsten Tag angerufen hatte, um ihn wegen des Artikels auf der Website des
Herald
zur Rede zu stellen (dass sie sich bei diesem Anruf vor allem im kreativen Fluchen geübt hatte, verschwieg sie). Dann erwähnte sie noch seinen Anruf nach dem Fund der zweiten Leiche und ihr kurzes Treffen am Vortag im Café.
»Woher hat er Ihre Telefonnummer?«, fragte Officer McNiven.
»Keine Ahnung.«
»Warum haben Sie ihn angerufen?«
»Ich wollte wissen, wer sein
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