Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
hatte er gesagt. »Manche von denen würden für eine gute Story ihre eigene Mutter verkaufen.« Sie konnte sich jedoch auf ihre Menschenkenntnis verlassen, und Garry machte einen durchaus anständigen Eindruck. Anscheinend war ihm auch nicht alles einerlei, und das war schon einmal viel wert.
Wenn sie einen vertrauenswürdigen Journalisten an der Hand hätte, würde der ihr vielleicht helfen herauszufinden, ob es eine Verbindung zwischen Yvonne Christensen und Martin Prince gab.
Während sie darüber nachdachte, fiel ihr wieder auf, wie lang so eine Busfahrt dauerte. Deshalb fuhr sie auch nur selten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Wache war gar nicht weit entfernt, aber der Bus legte an jeder Haltestelle eine kurze Pause ein. Auf dem Sitz vor ihr telefonierte jemand lauthals, und hinten im Bus lauschten drei Jugendliche über den Lautsprecher eines Handys irgendeiner grässlichen Popmusik. Vorn war ein Baby in einem Kinderwagen festgeschnallt und weinte sich die Augen aus, während seine Mutter sich mit ihrer Freundin unterhielt, die neben ihr saß. Überall nur Lärm, Lärm, Lärm.
Sie schloss kurz die Augen, war aber nicht in der Lage, ihre Umgebung auszublenden. Als sie nach hinten schaute, sah sie, dass einer der Jugendlichen sich gerade eine Zigarette angezündet hatte. Sie seufzte und überlegte, ob sie was sagen sollte.
Sie atmete tief durch. »He!«, rief sie und zeigte auf das Rauchverbotsschild auf dem Fenster neben den Jugendlichen, die drei Reihen hinter ihr saßen.
»Was ist denn?«, fragte der mit der Zigarette, als er seinen ersten Zug nahm.
»Mach die Zigarette aus.« Mittlerweile sahen fast alle Fahrgäste sie an.
»Wieso? Was willst du machen?«
Jetzt reichte es aber. Sie stand auf, holte ihren Dienstausweis aus der Tasche und ging zu den Jugendlichen. Sie hoffte nur, der Bus würde nicht abrupt bremsen, denn sonst würde sie womöglich umfallen und sich lächerlich machen. Sie zeigte ihnen den Ausweis und hockte sich auf einen Sitz in der Nähe. »Mach einfach das Ding aus und hört auf, euch wie die letzten Arschlöcher aufzuführen.«
»So dürfen Sie aber nicht mit uns reden«, sagte einer von den beiden, die nicht rauchten.
»Und ihr dürft im Bus nicht rauchen. Also mach die Zigarette aus und Schwamm drüber, okay?«
Der Junge mit der Zigarette zögerte kurz, aber schließlich trat er die Zigarette auf dem Boden aus.
»Und in Zukunft hab nicht so eine große Klappe«, sagte sie, steckte ihren Ausweis weg und ging zurück zu ihrem ursprünglichen Sitz. »Nächstes Mal nehme ich den Wagen«, murmelte sie zu sich selbst.
Wenn Jessica gewusst hätte, welche Neuigkeiten sie auf der Wache erwarteten, hätte sie es nicht so eilig gehabt zurückzukommen. Der diensthabende Sergeant nahm sie beiseite, um ihr von Harrys Prozess zu berichten. Sie wusste nicht, wer dem Sergeant die Informationen aus dem Gerichtssaal zukommen ließ, aber es musste jemand mit einem Platz in der ersten Reihe sein.
Harry war an diesem Morgen als Zeuge aufgerufen worden, aber es war nicht so gut gelaufen. Anscheinend waren seine Antworten auf die Fragen des Anklägers sehr einsilbig ausgefallen und erst, als Peter Hunt mit dem Kreuzverhör begonnen hatte, war er etwas lebhafter geworden. Er beschimpfte Hunt als »Abschaum« und »Parasiten«, bis schließlich der Richter einschreiten musste. Am Ende hatte er zwar alle Fragen beantwortet, aber da war es schon zu spät, denn die Geschworenen hatten seine Ausfälle mit angehört. Warum sollten sie glauben, dass er sich in einem Pub unter Kontrolle hätte, wenn er sich schon in einem Gerichtssaal nicht zusammenreißen konnte? Harry tat Jessica leid und sie hätte ihm gern geholfen, so wie er ihr früher geholfen hatte. Aber wie, wenn er es nicht zuließ? Sie würde abends noch einmal versuchen, ihn anzurufen. Wahrscheinlich würde er doch nicht abheben, aber sie wollte ihn nicht ganz aufgeben.
Nachdem der Sergeant ihr alles erzählt hatte, ging sie zu ihrem Büro, traf aber unterwegs Rowlands. »Was für schlechte Nachrichten hält mein stachelhaariger Unheilsbote denn heute für mich bereit?«, fragte sie.
»Da du schon davon redest …«
»Schieß los.«
»Sandra Prince. Wir dürfen immer noch nicht mit ihr reden. Ihr Arzt sagt, wir müssen noch mindestens vierundzwanzig Stunden warten.«
»Na toll. Sonst noch was?«
»Wir haben mit Eric Christensen gesprochen. Er kennt niemanden namens Prince. Wir haben ihm Fotos aller drei Familienmitglieder
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