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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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von solchen, denen auch erfahrene Seefahrer, wie Keyx, nicht gewachsen waren.
    Zurück zu den Schwänen. Sie hatten einen altgriechischen Namen und dieser lautete Kyknos . Die Römer übernahmen diesen und latinisierten ihn auf Cygnus . Merkwürdigerweise gab es aber einen ganz anderen römischen Namen für den Schwan, nämlich olor . Die wissenschaftliche Bezeichnung Cygnus olor für den Höckerschwan stellt also eine Verdopplung zum ›Schwan-Schwan‹ dar. Olor ging in zwei verbreitete Redewendungen ein: Mihi olet (mir stinkt’s) und pecunia non olet (Geld stinkt nicht). Beim Geld mutet die Verknüpfung mit stinken zwar unpassend an, denn welches Geld stinkt schon und wer würde es für angebracht halten, daran zu riechen? Aber das Geld der Alten Römer, pecunia , war wie bei noch so manchem Hirtennomadenstamm im Afrika unserer Zeit das Vieh. Und dieses stank und stinkt sehr wohl, nur eben nicht, wenn es als Zahlungsmittel benutzt wurde. Dann war es besser, nicht so genau zu riechen oder aber mit besonders kritischer Nase zu beurteilen, ob man ein auffallend stinkendes, also krankes Stück Vieh ausbezahlt bekommen hat. Was soll nun aber das wieder mit den Schwänen zu tun (gehabt) haben?
    Schwäne stinken nicht. Wer wie ich öfters einen »umarmt«, aus dem Wasser gehoben und mit einem Aluminiumring der Vogelwarte beringt hat, darf das behaupten, auch wenn die Hose dabei durchaus gelegentlich einen dicken Strahl von »grüner Soße« abbekommen hat, den der Schwan bei dieser Prozedur von sich gab. Gerade solche Schwäne, die gewöhnt sind, sich mit ihrer sehr eindrucksvollen Drohgebärde Hunde und Menschen vom Leibe zu halten, machen sich in die Federn, wenn sie mit sicherem Griff gepackt werden. Das grüne Exkrement sieht nicht gut aus, stinkt aber weit weniger als das, was brütende Entenweibchen auf ihren Gelegen zurücklassen, wenn sie ein vermeintlicher oder tatsächlicher Feind zum Auffliegen veranlasst. Ungleich schlimmer stinken ein paar Tropfen aus dem After einer Ringelnatter, die man in der Hand, aber nicht weit genug von sich weg hält. Ausgeprägte Stinker sind Schwäne sicher nicht, auch wenn die Nasen der Menschen recht unterschiedlich darüber befinden mögen. Dennoch wird ihr Name seit den Zeiten der Römer in diesem Sinne ge- oder missbraucht. Der Blick ins Lateinlexikon weist auf eine große Ähnlichkeit von olor  = Schwan mit olus = Gemüse, Grünzeug hin. Grünzeugverzehrer sind sie wohl, die Schwäne, aber die Gänse und zahlreiche Enten auch. Sollten die Römer den Schwan oder die Schwäne deswegen olor, olores genannt haben, weil sie wie die Gänse Gras verzehren? So ganz überzeugend wirkt diese Verbindung auch nicht; viel angemessener wären Namen, die auf ihr rein weißes Gefieder und ihre Größe Bezug nehmen. In den altgermanischen Sprachen ist das so. Elbiz , verwandt mit dem Lateinischen albus steckt in vielen europäischen Sprachen. Swan soll in Verbindung mit ›rauschen, tönen‹ stehen und sich auf das markante Fluggeräusch des Höckerschwans beziehen. Im Althochdeutschen kommt der Ausdruck noch recht selten vor. Es war im Niederdeutschen weiter verbreitet, und von dort kommt wohl auch die Redewendung ›mir schwant etwas‹. Das bedeutet, es raunt oder rauscht, ist aber noch nicht deutlich geworden, worum es sich handelt. Über die Verbindung mit dem lateinischen olor geriet ›schwanen‹ in die Doppeldeutigkeit von erahnen und stinken.
    Dieser kurze Ausflug in die Sprachen nördlich der Alpen bestätigt einerseits, dass sehr wohl das (große) Weiß der Schwäne namensgebend war. Eine Anbindung an das Stinken lässt sich andererseits nicht finden. Da die Römer zwei ganz verschiedene Namen für den Schwan benutzt hatten, ist es wiederum angebracht, bei den griechischen Wurzeln nachzubohren. Denn die Römer hatten, wie oben ausgeführt, keine beständigen Vorkommen von Schwänen in ihrem Kerngebiet. Sie dürften diese am Niederrhein und in Britannien kennengelernt haben. Vielleicht spielte tatsächlich die »grüne Gemüsesuppe«, die die erbeuteten (Höcker-)Schwäne von sich gaben, bei der Benennung eine Rolle. Für wahrscheinlich halte ich das nicht. Schon gar nicht im Hinblick auf die Tatsache, dass die Doppeldeutigkeit von ›mihi olet‹ ein seit der Antike verbreitetes, geflügeltes Wort ist.

Leda und der Schwan
    Setzen wir nun beim Cygnus/Kyknos an. Die griechische Mythologie hat dazu eine besonders berühmte Geschichte. Sie handelt von der schönen Dame Leda und

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