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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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zu seinen Hirten ins Kithairon-Gebirge, um dort in seiner jugendlich-überquellenden Kraft gebändigt zu werden. In diesem Gebirge lebte auch ein großer Löwe, der immer wieder die Herden seines Ziehvaters und des Thespios, eines benachbarten Königs, bedrohte. Thespios bot Herakles für das Töten des Löwen jede Nacht eine seiner 50 Töchter an. Auf diese Weise beflügelt, zeugte Herakles 50 Söhne und erschlug nach langem Kampf den Löwen. Dessen Fell war aber so zäh, dass Herakles die Löwenkrallen benutzen musste, um es abziehen zu können. Von nun an trug er das Löwenfell anstatt einer üblichen Kleidung. Aus einem alten Ölbaum in der Umgebung des Ortes Nemea fertigte er sich eine gewaltige Keule. Danach wurde der Löwe der »Nemäische« benannt.
    Bald nach seiner Rückkehr nach Theben wurde Herakles in einen Konflikt mit einem Lokalfürsten verwickelt, dem es gelungen war, den Thebanern einen Tribut von 100 Ochsen abzuringen. Er schnitt den Abgesandten Nase und Ohren ab und schickte sie gefesselt zu ihrem Fürsten zurück, was natürlich einen Krieg zur Folge hatte. In diesem zeichnete sich Herakles so aus, dass die Thebaner siegten und das Doppelte des früheren Tributes zum Ausgleich zurückerhielten. Als Dank dafür erhielt er die Tochter des thebanischen Königs, die ihm drei Söhne gebar.
    Eurystheus, dem Herakles’ steigender Ruhm allmählich bedrohlich erschien, rief ihn als Erstgeborener in seinen Dienst. Herakles verweigerte. Dieser Verstoß gegen die Pflicht der Gehorsamkeit veranlasste Hera, einen Anfall von Wahnsinn in ihm auszulösen. In diesem erschlug Herakles seine Frau und die drei Söhne. Als er wieder bei Sinnen war und das Schreckliche seiner Tat erkannte, wandte er sich an Pythia im Orakel von Delphi. Diese erklärte ihm, dass er seine Morde nur dadurch sühnen könne, wenn er sich zwölf Jahre lang in den Dienst von Eurystheus stelle und die von ihm verlangten Taten erfülle. Herakles sah ein, dass er Pythias Vorschlag Folge leisten müsse, und begab sich zu König Eurystheus nach Argos. Dieser stellte ihm die berühmten zwölf Aufgaben in der Hoffnung, Herakles würde scheitern und daran zugrunde gehen. Neun davon haben direkt mit Tieren zu tun. Die restlichen drei mit nicht minder gefährlichen Menschen.
    Betrachten wir jede davon kurz der Reihe nach; sie werden sich als gute Quelle dafür erweisen, welche Verhältnisse in der Natur des (östlichen) Mittelmeerraumes in jenen frühgriechischen Zeiten geherrscht hatten. Denn alle zwölf Herausforderungen sind sehr konkret.
    Die erste gleicht dem Geschehen während seiner Zeit als Hirte. Es ging darum, den nemäischen Löwen zur Strecke zu bringen, der Vieh tötete und Menschen anfiel. Dieser lebte näher an der Menschenwelt als jener aus dem Kithairon-Gebirge. Er machte die Wälder von Argolis auf dem Peloponnes unsicher. Herakles drückte dem Löwen die Kehle zu, bis er erstickt war. Bezeichnenderweise ist das genau die Art und Weise, auf die Löwen große, wehrhafte Beutetiere töten. Einen um ein Mehrfaches schwereren Büffel zum Beispiel packen sie so, halten ihm mit einem Dauerbiss das Maul zu oder drücken seine Kehle so sehr zusammen, dass er nicht mehr atmen kann. Dabei befindet sich der Löwe unterhalb der für ihn lebensgefährlichen Spitzen der Büffelhörner und vor dessen schlagfähigen Beinen, die mit ihren scharfkantigen Hufen bedrohliche Verletzungen verursachen könnten. Der Büffel erstickt zwar nicht so schnell, aber der Stau von Kohlendioxid, das nicht mehr ausgeatmet werden kann, betäubt ihn, so dass seine Abwehrversuche erlahmen, bevor der Tod eintritt. Die Vorgehensweise der Löwen war den Alten Griechen also sicher bekannt. Sie bot eine plausible Erklärung dafür, wie Herakles den Löwen tötete. Er hatte ihn, nachdem er festgestellt hatte, dass seine Pfeile den Löwen nicht verletzen können, in eine Felsspalte mit zwei Ausgängen getrieben, die eine mit Steinen verschlossen und an der anderen gelauert. Als der Löwe herauskam, packte er ihn von oben und drückte ihm Maul und Kehle zu. Das Fell dieses Löwen machte ihn nachher fast unverwundbar.
    Die zweite Aufgabe bestand darin, die neunköpfige Wasserschlange namens Hydra zu vernichten. Es gab sie gleichfalls in der Landschaft Argolis auf dem Peloponnes nahe Lerna, weshalb sie auch Lernäische Schlange genannt wurde. Argolis ist der »Daumen« an der »Hand« des Peloponnes; eine gebirgige, aber kleinräumig sehr fruchtbare Landschaft. Sie war berühmt

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