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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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Euphrat, münden. Von Süden her, aus dem Innern von Afrika, kam ein noch weit größerer Fluss in das unmittelbare Randgebiet, der Nil. Flüsse entwässern nicht nur ihre Einzugsgebiete. Sie führen daraus auch die Nährstoffe ab und verfrachten sie an die Ufer der Unterläufe und ins Mündungsdelta. Sie sind die »nährenden Adern« einer Landschaft. Alle drei großen Flüsse dieser Region des Fruchtbaren Halbmondes gehören ökologisch zum Typ des »Fremdlingsflusses«. Ihre Einzugsgebiete liegen in ganz anderen Regionen. Ihre hauptsächlichen Wassermassen erhalten sie nicht aus der unmittelbaren Umgebung des Hauptlaufes, sondern aus der Ferne. Die an die Flusstäler solcher Flüsse angrenzende Landschaft scheint daher gar nicht zu ihrer Flussnatur zu passen: Trockene (aride) oder halbtrockene (semiaride) Gebiete beginnen gleich jenseits der Reichweite der Hochwasser.
    Diese Konstellation begünstigt die Interessen der Menschen, befriedigt aber auch die Bedürfnisse bestimmter Arten von Tieren, die Wasser brauchen, die von üppiger Vegetation bedeckten Feuchtgebiete aber meiden. Denn wo die Pflanzenwelt dauerhaft leben kann und anhaltend günstig mit Wasser versorgt ist, entwickelt sie wirkungsvolle Abwehrstoffe gegen Tierfraß. Die in dieser Hinsicht am besten ausgestatteten Regenwälder der Tropen bleiben tierarm, weil die Bäume und all die anderen Pflanzen geradezu eine Giftküche darstellen. Nur Spezialisten, meistens Insekten und andere Kleintiere, sind in der Lage, den Giftcode chemisch zu knacken. Damit werden sie zu Spezialisten. Sie bleiben entsprechend selten. Das gesamte Lebendgewicht der Tiere erreicht auf einem Hektar im tropischen Regenwald günstigstenfalls ein paar Hundert Kilogramm. Das sind wenige Promille der mindestens tausend Tonnen Pflanzenmasse. Auf dem Grasland der Savannen und semiariden Steppen sieht das ganz anders aus. Weidende Säugetiere sind so häufig, dass sie das in einer Saison gewachsene Gras nahezu vollständig abweiden und somit ihre Lebensgrundlage scheinbar zerstören. Doch da sie weiterwandern, keimen oder treiben die Gräser mit dem nächsten Regen wieder. So kommt ein neuer Produktionsschub zustande. Gazellen und Antilopen, Ziegen und Schafe, mancherorts auch Rinder wie Büffel sind auf diesen Wechsel der Jahreszeiten eingestellt. Sie richten ihre Wanderungen danach aus.
    Seit den Urzeiten der Entstehung unserer Art Mensch, Homo sapiens , folgten wir den Wanderungen der Weidetiere. Wir sind unserer Natur nach Nomaden. Sogar in der modernen Zeit erfasst dieser uralte Drang zum Wandern die Menschen. Sie haben das Bedürfnis nach Ortsveränderung, auch wenn diese, wie im Urlaub oder mit der Benutzung teurer Verkehrsmittel, viel kostet. Sesshaft zu werden war eine Zumutung für die Natur des Menschen. Dass sich der (weitgehend) sesshafte Lebensstil durchgesetzt hat, zeigt, wie erfolgreich er ist, aber nicht, dass das ein ursprünglich menschliches Bedürfnis gewesen wäre. Es ist hier nicht der Platz, auf die Sesshaftigkeit weiter einzugehen. Ich habe das in meinem Buch Warum die Menschen sesshaft wurden (2008) bereits ausführlich getan. Hier geht es um einen anderen, im genannten Buch nicht behandelten Aspekt, nämlich darum, welche Tiere sich für die Domestikation eigneten und welche nicht – und warum.
    Das mit Abstand älteste Haustier des Menschen, der Hund, verhilft zum Einstieg in die engere Problematik, und die Bilder aus dem Alten Ägypten bauen die Bühne auf. Der Hund passte zum nomadischen Leben der Menschen, weil seine Stammart, der Wolf, ähnlich lebt. Schon für noch nicht zu Hunden weitergezüchtete Wölfe war es kein Problem, den langsam umherwandernden Menschengruppen zu folgen. Auch unsere Haushunde sind nicht wirklich ans »Haus« gebunden, sondern an die Menschen, mit denen sie leben. Insofern sind Bezeichnungen wie »Haus-Hund« und »Domestikation« unpassend gewählt. Haus- muss nicht vorangestellt werden. Im Alten Ägypten gab es bereits zahlreiche Hunderassen, darunter auch unregelmäßig gefleckte, die wie Vorstufen zur Dalmatinerfleckung wirken. Zwei Grundformen heben sich heraus: Langbeinige, schlanke Jagdhunde, die oft auch angeleint geführt wurden, und kurzbeinige, die wie Riesendackel aussahen. Die großen Jagdhunde machten möglicherweise Jagdgeparden überflüssig. Diese auf der Kurzstrecke schnellsten Jäger ließen sich wahrscheinlich auch von den Alten Ägyptern nicht züchten. In Bezug auf Haltung und Zucht waren die Jagdhunde

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