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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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die als solche auch erhalten geblieben sind. Ihre Domestikationsversuche galten Gazellen und Antilopen sowie verschiedenen Wasservögeln. Eine wichtige Aufgabe der Tribute, die andere Völker an die Ägypter zu entrichten hatten, bestand offensichtlich auch darin, Tiere zu erhalten, die sich für die Domestikation eignen könnten. Diese geschah nicht aus den Zwängen der Notwendigkeit heraus. Es gab genug von den in Frage kommenden Tieren. So viel, dass man damit experimentieren konnte. Die Sahara war noch weithin keine Wüste, sondern wildreiches Grasland. Auch die heute halbwüsten- bis wüstenhaften Landstriche unter dem Bogen des Fruchtbaren Halbmondes müssen damals viel grüner als heute gewesen sein. Vom achten bis zum zweiten vorchristlichen Jahrtausend gab es dort überall vergleichsweise gutes, produktives Land. Nicht der Mangel ließ die dort lebenden Völker so geschichtsträchtig werden, sondern die gute Zeit. Sie ist inzwischen längst vorüber – und wir machen uns ein falsches Bild davon. Die Ägypter verdankten dieser Gunst der Natur ihre lange Vormachtstellung. Der Prozess der Austrocknung schritt wahrscheinlich von Süden nach Norden fort, d.h., die zentrale Sahara und die Zentralwüsten Arabiens wurden zuerst davon verursacht. Wie die Beisa-Oryx aus Nordafrika, so musste sich die Weiße Oryx in Arabien südwärts bis in die niederschlagsreicheren Regionen des Oman in der Nähe des Ozeans zurückziehen. Zur altägyptischen Zeit gab es sie noch im heute syrischen Norden. Sie war daher auch bis Persien als besonderes Tier bekannt, aber zur Zeit des Aufenthalts von Ktesias längst aus der Region verschwunden.
    Damit ist der Bogen zum Einhorn geschlossen. Eingefügt in diesen größeren Rahmen aller tatsächlichen und möglichen Haustiere, kam ihm jene herausragende Position zu, die ich schon hervorgehoben habe. Das Einhorn hätte gleichsam alle Vorzüge der Rinderartigen in sich vereint, nämlich Milch und Fleisch zu liefern, und es hätte diese mit den besonderen Eigenschaften seiner Wehrhaftigkeit und seiner Genügsamkeit, was Wasser anbelangt, verbunden. Die Befunde aus dem Panoptikum der bildlichen Darstellungen und der Knochenfunde aus dem Alten Ägypten beweisen, dass in jener Zeit alle Formen der Oryx am Nil lebten. Die am besten geeignete, weil handhabbar kleinere Weiße Oryx war mit dabei. Ihr entsprechen also aus guten Gründen die alten Beschreibungen des Einhorns am besten. Das Tier hatte eine herausragende Bedeutung, aber es war nicht zu zähmen. Das Einhorn hatte es gegeben, doch es entzog sich der Unterwerfung durch die Menschen. Diese Unabhängigkeit hat es erhöht und zum Mythos gemacht.

Himmlische Tiere
    Tierkreiszeichen
    Im Jahreslauf bewegt sich die Sonne (scheinbar, wie wir wissen) durch den Tierkreis, Zodiak genannt. Dieser setzt sich zusammen aus zwölf jeweils 30 Grad des Himmelsumfanges (360°) einnehmenden Abschnitten, die ursprünglich, dem griechischen Astronomen Geminos zufolge, auch jeweils dreißig Einzelabschnitte (also Nächte) umfassen sollten, was aber mit den 365 Tagen des Jahres nicht konform ging. Anpassungen waren daher nötig und sind auch mehrfach vorgeschlagen bzw. vorgenommen worden. Das »Technische« der Einteilung steht hier nicht zur Debatte, vielmehr geht es um die Tiere, die unter den Sternbildern des »Tierkreises« zu finden sind. Um sieben der zwölf handelt es sich, die restlichen fünf stammen direkt aus der ›Menschenwelt‹ (Zwillinge, Jungfrau, Waage, Schütze und Wassermann). Unter den astronomischen Sternbildern machen die von Tieren abgeleiteten Tierkreiszeichen also weniger als ein Zehntel aus. Umso bedeutungsvoller müssen sie in alten Zeiten gewesen sein, da sie sonst schwerlich dem Sonnenlauf zugeordnet worden wären. Bezogen worden war der »Beginn« auf die tropische Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühjahr, den »Frühlingspunkt«. An diesem Tag »überschreitet« (wiederum nur so genannt, weil es auf einer als ruhend empfundenen Erde den Anschein erweckt, dass es sich so verhalte) die Sonne den Äquator in Richtung Norden. Zur Mittsommerzeit, am 21. Juni, erreicht sie nördlich des Äquators ihren Höchststand mit den längsten Tagen und den kürzesten Nächten. Daraufhin beginnt die Rückwanderung. Diese führt zu einer weiteren, nun südwärts gerichteten Tag-und-Nacht-Gleiche am 21. September und kontinuierlicher Abnahme der Tageslänge, bis am 21. Dezember mit der Wintersonnenwende der kürzeste Tag den erneuten Wendepunkt

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