Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)
witterungsunabhängige Vorgabe ist der Sonnenkreis von Höchststand zu Höchststand oder von der einen Tag-und-Nacht-Gleiche zur nächsten. Die auf dem älteren Sechsersystem der Zählung aufgebaute Unterteilung in zwölf Monate hat die Grundgliederung des Kalenders ergeben. Sie musste naturgemäß ungenau ausfallen, weil das Sonnenjahr mit seinen 365 Tagen und einigen Minuten nicht in ein Sechser- oder Zwölfersystem hineinpasst. Es ließe sich auch nicht dezimal besser unterteilen, denn die Zahl der Tage gibt die Grundzahl. 365 ließe sich durch 5 teilen. Das Ergebnis, 73, passt jedoch zu keiner weiteren praktikablen Unterteilung. Am günstigsten liegt tatsächlich die Abfolge von 12 Monaten, das Duodezimal-System. Sie müssen mit abwechselnder Dauer von 30 und 31 Tagen angepasst und mit einem Korrekturmonat von 28 Tagen versehen werden. Dann ergeben sich praktikable Monate. Warum Monate? Andere Unterteilungen gingen auch. Aber für den Menschen würde sich keine wirklich besser eignen als die Unterteilung in Monate. Denn diese leiten sich von den sichtbaren Mondzyklen ab. Die Menschen können dem Werden und Vergehen des Mondes folgen. Wiederum passen die Mondzyklen nicht genau ins Jahr, dafür entsprechen aber die Zyklen der Frau der Länge des Mondzyklus sehr genau. Weshalb, ist nach wie vor umstritten. Aber dass es so ist, kann nicht bezweifelt werden. Und nun kommt der Tierkreis mit ins Spiel. Er bildet die zwölf vollen Menstruationszyklen eines Jahres ab. Die nicht ganz genau stimmende Zeit der Passage der einzelnen Sternbilder wird mit dem Durchgang der Sonne durch das Sternbild des Schlangenträgers Ophiuchus im Herbst ausgeglichen. Es zählt nicht zu den zwölf Tierkreiszeichen und es kann auch gar nicht dazu zählen, weil diese ja den vollen Sonnenkreis von 360 Grad in genau zwölf Abschnitte von 30 Grad am Nachthimmel unterteilen. Sie sind damit unabhängig von der nötigen etwas »ungeraden« Gliederung des Jahres in die zwölf Monate von unterschiedlicher Dauer. Mythologisch geht der Schlangenträger auf den Helden Herakles zurück, den dieses Sternbild repräsentieren soll. Eine andere antike Deutung besagt, dass nicht Herakles, sondern der Vater der Ärzte Asklepios damit dargestellt wird. Denn das Zeichen der antiken griechischen Ärzte war der Stab, um den sich eine Natter windet. Diese Äskulapnatter ist allerdings ungiftig und für jedwede medizinische Anwendung unbrauchbar.
Die unvermeidbare Ungenauigkeit hat allerdings zur Folge, dass sich die Sternbilder verschieben. Seit ihrer Festlegung macht das inzwischen bereits einen ganzen Monat aus. Für die Lebenszeit von Menschen mehrerer Generationen spielt das keine Rolle. Sie wird erst über Jahrhunderte und Jahrtausende wirksam. An der 30-Grad-Unterteilung des Himmels in Bezug auf den Jahreslauf ändert das nichts. Es passen nur mit der Zeit die zugeordneten Sternbilder immer weniger. Das soll uns nicht weiter beschäftigen. Wichtiger ist die Verbindung zu den drei großen Rhythmen, denen der Mensch unterworfen ist. Denn die einzelnen Tage mit ihrem Hell-Dunkel-Wechsel, die das Grundmaß abgeben, wissenschaftlich circadianer Rhythmus genannt, werden so mit dem Mondrhythmus (lunarer Rhythmus) und dem Jahresrhythmus (circannualer Rhythmus) verbunden. »Circa-dian« bzw. »circ(a)-annual« bedeutet, dass unser interner Rhythmus hierzu erkennbar ungenau (»circa«) läuft und zwar mit der Tendenz, sich zu verlängern, wenn keine äußeren Zeitgeber die Rückstellung bewirken. Dann würde der Tag allmählich auf 25 und 26 Stunden und das Jahr scheinbar auf 370 Tage und mehr anwachsen. Untersuchungen im Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, die in den 1960er Jahren in unterirdischen Bunkern durchgeführt worden waren, haben das ergeben. Die am Experiment teilnehmenden Personen waren von allen äußeren zeitgebenden Einflüssen abgeschirmt. Ihre inneren Rhythmen blieben erhalten, tendierten aber zur Verlängerung.
Merkwürdigerweise hält sich der Menstruationszyklus der Frau in einem recht engen, der Mondmonatsdauer gut entsprechenden Schwankungsbereich. Im Gegensatz dazu macht der Jahresgang eine je nach geographischer Breitenlage unterschiedlich starke Schwankung durch. Die Tageslänge nimmt im außertropischen Bereich vom innertropisch ausgeglichenen Wechsel von zwölf Stunden Tag und zwölf Stunden Nacht zu. Wie stark, das hängt von der Entfernung von den Tropen ab. Mittlere Breiten erreichen zur Zeit der Sommersonnenwende 16 und
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