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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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Sternen richteten. Betrachten wir zunächst die Rahmenbedingungen.
    Die wichtigste halten wir für so selbstverständlich, dass sie offenbar kaum Beachtung gefunden hat: Zum Sehen und Wiedererkennen von Sternkonstellationen bedarf es Augen, die auf Fernsicht eingestellt sind. Kurzsichtige können die Sterne ohne technische Hilfsmittel nicht sehen. Damit sind nicht nur Menschen gemeint, sondern auch viele Säugetiere. Hunde, Pferde, Löwen oder Elefanten richten ihre Blicke nicht zum Nachthimmel. Ihre Augen sind auf diese Fernsicht nicht eingestellt. Die winzigen Lichtpunkte würden ihnen nichts bedeuten, auch wenn sie in der Lage sein sollten, diese erkennen zu können. Anders die Vögel. Viele nächtlich ziehende Arten können die Positionen der Sterne und ihre Veränderung im Lauf der Nacht zu einer Sternenkompass-Orientierung nutzen. Das ist unter dem künstlichen (und verstellbaren) Sternenhimmel von Planetarien experimentell nachgewiesen. Stark vereinfacht hieß das Ergebnis: Die Sterne weisen ihnen den Weg! Ich komme darauf zurück, wenn es um die Frage geht, warum die Menschen überhaupt den Sternenhimmel betrachteten. Die zweite Rahmenbedingung einzusehen fällt uns leichter: Der Himmel darf nicht überwiegend wolkenverhangen sein. Die feuchten inneren Tropen kommen daher für Sternbetrachtungen ebenso wenig in Frage wie neblige Küsten und Regionen mit häufiger, lange anhaltender Bewölkung in den klimatisch gemäßigten Breiten. Die meisten klaren Nächte gibt es, von den Polarregionen und Berggipfeln, die über die Wolkendecke hinausreichen, abgesehen, in den subtropischen und randtropischen Trockengebieten sowie in den innerkontinentalen Halbwüsten und Wüsten. Es sind dies jene Regionen, die sich durch einen jahreszeitlich auch sehr ausgeprägten Wechsel der Witterung auszeichnen. Auf lange Trockenzeiten folgen, meistens sehr regelmäßig, kurze Perioden mit Wolken und Niederschlägen. Unter solchen Bedingungen ist der Sternenhimmel dank klarer Luft mit sehr geringem Feuchtigkeitsgehalt nicht nur gut zu sehen, sondern in seiner Veränderung von Vollmond zu Vollmond, also von Monat zu Monat, auch bestens mitzuverfolgen. Infolgedessen decken sich die Stätten und die Bauwerke, an denen es um die Beobachtung der Sterne ging, mit den entsprechenden Klimazonen. Sonnenauf- und -untergang und die Veränderungen der Tageslänge können auch in wolkenreicheren Regionen mit Hilfe fest stehender Einrichtungen ausgemacht werden. Für die Sternbeobachtung gelten andere Bedingungen. Dass dem so ist, sagt uns jedoch noch nichts darüber, warum den Sternen eine so große Bedeutung beigemessen wurde, dass man sie zu Bildern gruppierte und benannte.
    Auch hierzu gibt es eine Vorbedingung, die wir berücksichtigen sollten. Wir Menschen wollen überall Bilder sehen, zumindest Strukturen, an denen wir uns orientieren und die wir zur Deutung des Geschauten heranziehen können. Wo Bilder nicht offensichtlich vorhanden sind, suchen wir danach. Finden wir keine, neigen wir dazu, solche zu erfinden, hineinzuinterpretieren. Das Musterbeispiel in dieser Hinsicht sind die Sternbilder. Es gibt sie nicht. Menschen haben sie geschaffen. Die »Erschaffung der Sternbilder« war so erfolgreich, dass sie Bestand hatten. Bis in unsere Zeit und wohl darüber hinaus. Ihre ursprüngliche Bedeutung lag sicherlich in der genaueren Bestimmung der Jahreszeit. Die Sternkonstellationen durchlaufen einen regelmäßigen, scheinbar unveränderlichen Jahreszyklus. Dass sie sich dennoch mit der Zeit ändern, war in der Antike ebenso bedeutungslos wie in der Gegenwart. Für uns ändert sich der Sternenhimmel nicht. Über die Jahrtausende aber durchaus. So war unser Nordstern, der Polarstern, vor dreitausend Jahren nicht an dieser Position. Der Pol des Nordhimmels lag ein Stück davon entfernt. Er wird sich in weiteren Jahrtausenden weiter verschieben, weil die Erdachse nicht langfristig stabil bleibt. Doch für die Orientierung während der Lebenszeit eines Menschen sind diese langfristigen Verschiebungen ohne Belang. Man konnte sich, war die Drehung des Sternenhimmels erst einmal mental erfasst worden, daran besser orientieren als am Tag an der Sonne. Denn der Aufgang der Sonne im Osten, im Orient – von dem wir unsere »Orientierung« übernommen haben –, wechselt im Jahreslauf über eine breite Strecke. Der Pol, um den sich nächtens die Sterne drehen, bleibt dagegen auf derselben Stelle. Als Azimut kann davon eine Senkrechte zum Horizont

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