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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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morgendlichen Kühle schwitzte er am Hals, und sein unsicherer Halt machte ihn nervös.
    „Ich bin Major Thomas Henley“, sagte er schließlich. „Ich bin der direkte Vertreter der Siebten Republik von Nordamerika.“ Danach sprach er zunächst nicht weiter, weil er offensichtlich nicht wußte, was er sagen sollte. Mit einem dünnen Grinsen machte sich Custis klar, daß er dem Major nicht viel Verhandlungsspielraum gelassen hatte, als er so direkt mit dem Namen Berendtsen herausgeplatzt war.
    „Sie sind außerhalb der Rechtsprechung Ihres Landes, Major“, sagte der Anführer.
    „Darüber kann man streiten.“
    „Das ist eine Tatsache“, sagte der Anführer unverblümt. „Sie und Custis können herunterkommen. Ich werde mit Ihnen verhandeln. Ihre Leute können hierbleiben.“
    Henley drehte hastig seinen Kopf herum. „Sollen wir mit ihm gehen?“ murmelte er Custis zu.
    „Du lieber Gott, Major, mich dürfen Sie da nicht fragen. Aber wenn Sie etwas erreichen wollen, müssen Sie schon mit jemandem reden. Oder erwarten Sie vielleicht, daß Berendtsen Ihnen in den Schoß fällt?“
    Henley sah zu der dünnen Gestalt auf dem Hügel. „Vielleicht ist dies bereits geschehen.“
    Custis sah ihn unverwandt an. „Sie haben Berendtsen vor dreißig Jahren in New York erschossen. Was von seiner Leiche noch übrig war, wurde von ihnen auf den Müllhaufen geworfen. Ein Jahr später befand sich an der Stelle, wo man diese Reste hingeworfen hatte, ein Grabmal.“
    „Vielleicht, Hauptmann, vielleicht. Waren Sie dabei?“
    „Und Sie?“
    Custis ärgerte sich, daß ihm die Sache so nahe ging. Er schaute den Major wütend an. Dann aber stellte sich seine Vernunft wieder ein. Er drehte sich um, um Lew den Befehl zu geben, den Wagen verschlossen und die Kanonen schußbereit zu halten, bis sie wieder zurück waren.
    Berendtsen war seit dreißig Jahren tot. Wegen Hochverrats angeklagt, verurteilt, hingerichtet, und trotzdem stritten sich die Menschen noch immer bei der Erwähnung seines Namens. Custis schüttelte noch einmal seinen Kopf und sah sich den alten, ausgetrockneten Mann wieder an, der da mit seinem geflickten, verwaschenen Overall mit den schwarz-gelben Schulterstücken auf dem Hügel stand.
     
    Die meisten seiner Soldaten blieben zurück und verteilten sich zwischen den Felsen und dem Kampfwagen. Zehn von ihnen bildeten eine lockere Eskorte um den Anführer und Henley. Die Männer gingen in Richtung der Berge los, und Custis folgte ihnen mit ein paar Metern Abstand.
    Der Tag wurde sonnig, blieb aber kühl. Custis konnte erkennen, wie die Höhenwinde, die den Schnee auf den Gipfeln verwehten, diese mit einem Kranz umgaben. Die Felsen an dem Weg, auf dem sie gingen, waren mehr als mannshoch, was Custis ein leicht unangenehmes Gefühl verlieh. Er war an die rollenden Ebenen gewohnt, in denen sein Vater ihn aufgezogen hatte. Dort gab es außer ein paar dünnen Bäumen, die an den Bächen standen, nichts, was größer als ein Mann war.
    Das Hauptquartier des Kommandanten bestand aus einer Gruppe von niedrigen Hütten mit nur einem Raum, die entlang einer Bodenwelle standen. Vor jeder befand sich eine Feuerstelle zum Kochen. Ihre Silhouetten wurden von einzelnen Felsen und von Geröll unterbrochen, die sie umgaben. Um das Gelände verliefen Schützengräben, der Zugang wurde durch ein MG-Nest gesichert, und an den gegenüberliegenden Hängen lagen einige Stellungen mit Mörser-Batterien. Aus der Größe der Anlage und der Qualität der Organisation schloß Custis, daß der Kommandant etwa vierhundert Leute zu seiner Verfügung hatte.
    Custis fragte sich, woher er den Nachschub für sie alle bekam. Nach dem zu schätzen, was er um sich erkennen konnte, gelang es ihm nicht besonders gut. Die Hütten hatten Lehmböden und waren dunkel und heruntergekommen. Ein paar abgehärmte Frauen trugen in abgeschnittenen Ölkanistern, die zu Eimern umgearbeitet worden waren, und die sie auf dem Kopf balancierten, Wasser aus einer Quelle nach oben. Ihre Kleider waren zerrissen. Die Kinder, die auf dünnen Beinchen neben ihnen herliefen, hatten tiefliegende Augen. Zwischen den Felsen lagen hier und da kärglich kleine Gärten. Oben an einem Ende des Tals graste eine kleine Herde magerer Kühe auf dem spärlichen Gras.
    Custis nickte. Das bestätigte, was er sich schon seit Jahren gedacht hatte. Die Banditen überquerten zwar noch die Ebenen, um in republikanischem Gebiet zu plündern, aber sie würden es nie wagen, selbst Städte in der

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