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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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herausgefunden hatte, warum diese Männer, die aussahen, als wüßten sie, was sie taten, sich auf Flinten verließen, wenn es gegen einen Kampfwagen ging. Fünf Gruppen, die je aus zwei Männern bestanden, umgaben den Wagen in einem großen Kreis. Jede der Gruppe hatte ein M-14 mit einem Granatwerfergerät. Die Männer, die damit zielten, hatten der Waffe genau den richtigen Winkel verliehen, um die Kuppel mit dem ersten Schuß zu treffen.
    „Schwarz-gelb“, sagte Henley ärgerlich.
    Custis zuckte die Achseln. „Stimmt, nicht blau-silber“, erwiderte Custis, um Henley wieder zu ärgern. „Aber das ist dreißig Jahre her. Es könnte trotzdem Berendtsen sein.“
    Custis ging zu der Optik zurück, um sich die Männer mit den Granatwerfern noch einmal anzusehen. Neben jedem stand ein offener Kasten mit Bleiverkleidung, in dem noch weitere Granaten lagen.
    Custis knurrte. Napalm spritzte zwar recht gut auseinander, aber der Turm würde trotzdem eine ganze Drehung benötigen, um mit allen fünf Gruppen fertig zu werden. Der Turm brauchte für eine volle Drehung fünfzehn Sekunden. Ein Mann am Granatwerfer brauchte pro Granate grob gerechnet eine Sekunde. Nach wenigen Sekunden hätte man den Kampfwagen von außen mit einer Schicht radioaktiven Staubs bedeckt, der sowohl das Ausharren als auch das Verlassen des Wagens tödlich werden ließ. Auch ausweichen könnte der Wagen der Granate nicht rechtzeitig. Die Grundlage einer vorbeugenden Bewaffnung wie dieser hier bestand darin, daß sie bei der leisesten Bewegung zum Einsatz kommen konnte, aber, das zumindest durfte man annehmen, nicht vorher.
    „Unentschieden“, knurrte Custis. „Aber nicht schlechter. Großzügig von ihnen.“ Er schnallte sein Webkoppel ab und nahm den 45er Colt herunter. Dann ging er zu der Kommandantenkuppel und entriegelte sie.
    „Was machen Sie da?“ wollte Henley wissen.
    „Es geht los.“ Er warf das Luk zurück, zog sich hoch, stellte sich auf seinen Hocker und kletterte oben aus dem Turm. Er schlug das Luk hinter sich wieder zu und richtete sich auf.
    „Ich heiße Custis“, sagte er vorsichtig zu den Männern, die ihre Gewehre hoben. „Ich handle im Auftrag der Siebten Republik. Ich habe hier einen Mann bei mir, der mit eurem Boß sprechen will.“
    Zunächst gab es keine Antwort. Er stand da und wartete. Neben sich hörte er das Kratzen der Lukenverriegelung. Er stellte einen Fuß auf die Luke, bevor Henley sie anheben konnte.
    „Worüber, Custis?“ fragte eine Stimme von der Seite, die außerhalb seines Gesichtsfeldes lag. Die Stimme klang alt und heiser, stand aber fest unter Kontrolle. Er fragte sich, ob die Stimme nicht zittern würde, wenn der alte Mann dies zuließe.
    Er überlegte sich seine Antwort. Es war sinnlos herumzuspielen. Vielleicht würde er gleich jetzt umgebracht werden, vielleicht auch nicht, aber wenn er jetzt Spielchen spielen würde, bekäme er möglicherweise nie wieder eine direkte Antwort auf eine Frage.
    „Über Theodor Berendtsen“, sagte er.
    Der Name fiel zwischen die Männer wie ein Stein. Er sah, wie sich ihre Gesichter verhärteten, und er sah, wie Köpfe unwillkürlich zuckten. Na ja, die Briten hatten Napoleons Grab neunzehn Jahre lang bewacht.
    „Dreh dich zu mir um, Custis!“ sagte die gleiche verbrauchte Stimme. Custis riskierte es, seine Augen von den Granatwerfern abzuwenden. Er wandte sich der Stimme zu.
    Ein hagerer Mann mit einem wettergegerbten Gesicht stand etwas abseits von den Soldaten. Seine durchdringenden Augen lagen im Schatten von buschigen Augenbrauen. Er war sehr unrasiert, und sein marmorweißes Haar war dünn. Tiefe Falten durchzogen sein Gesicht, er hatte Säcke unter den Augen und einen ausgetrockneten Hautlappen unter dem Kinn.
    „Ich habe hier Befehlsgewalt“, sagte er mit seiner stockenden Stimme. „Bring deinen Mann heraus.“
    Custis trat von der Luke herunter und ließ Henley herauskommen. Der politische Offizier warf ihm einen wütenden Blick zu, als er sich aus der Luke wand und sich aufstellte. Custis kümmerte sich nicht darum. „Da drüben – der Weißhaarige“, sagte er, ohne seine Lippen zu bewegen. „Er ist hier in der Gegend der Boß.“ Er trat ein wenig zur Seite und machte Platz, damit Henley auf dem schrägen Dach des Turms stehen konnte, aber er beobachtete weiter den alten Anführer, der einen verwaschenen Overall mit dem schwarz-gelben Schulterstück trug.
    Henley sah mit zusammengekniffenen Augen zu der hageren Gestalt hinüber. Trotz der

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